Sich gesund ernähren, an der frischen Luft bewegen, Gesundheitsinfos richtig deuten: Was lässt sich an Schulen für mehr Gesundheitskompetenz tun?

In der Tat kommt dem Bildungssystem bei der Förderung der Gesundheitskompetenz eine zentrale Rolle zu. Der Deutsche Lehrerverband fordert aus diesem Grund ein für alle Bundesländer verbindliches Gesamtkonzept zur Gesundheitserziehung beginnen in den Kinderhorten und Kindergärten bis hin zum Hochschulbereich.

Dazu braucht es nicht unbedingt die Etablierung eines neuen Schulfachs, aber zumindest verbindliche Vorgaben als Querschnittsaufgabe aller Fächer und in den entsprechenden Lehrplänen. Außerdem erfordert die Förderung von Gesundheitskompetenz eine enge Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule, ohne intensiven Einbezug der Erziehungsberechtigten wird Gesundheitserziehung nicht erfolgreich sein können.

Heinz-Peter Meidinger

Präsident des Deutschen Lehrerverbands

Gewalt an Schulen – modisches Medienthema oder reales Problem?

von Heinz-Peter Meidinger

In den letzten Wochen und Monaten hat – ausgelöst durch eine Messerattacke auf eine Grundschullehrkraft durch einen Schüler sowie Fälle religiösen Mobbings – das Thema „Gewalt an deutschen Schulen“ in der bundesdeutschen Medienlandschaft Hochkonjunktur gehabt.

Schwierig gestaltet sich eine sachliche Analyse der Thematik allerdings schon deshalb, weil dabei eine Reihe teilweise recht unterschiedlicher Sachverhalte munter durcheinander gemischt werden:

Fälle physischer und psychischer Gewaltanwendung zwischen Schülern und Schülergruppen, das Mitbringen gefährlicher Gegenstände in Schulen, Aggressivität gegenüber Lehrkräften, Integrationskonflikte,

Cybermobbing sowie Antisemitismusvorfälle und religiöses Mobbing.

Große Aufmerksamkeit erregte zudem die Tatsache, dass an einigen Schulen nicht nur in sozialen Brennpunkten inzwischen eigene private Wachdienste eingesetzt werden.

Anstieg der Gewaltvorfälle an Schulen

Als ich als deshalb vor wenigen Wochen als Präsident des Deutschen Lehrerverbands in einem Interview für die BILD-Zeitung darauf hinwies, dass insbesondere an Schulen mit einer ungünstigen sozialen Zusammensetzung der Schülerschaft sowie einem hohen Migrationsanteil amerikanische Zustände drohten, wenn nicht gegengesteuert würde, gab es zunächst einmal Abwiegelungsversuche.

Christian Pfeiffer, der ehemalige niedersächsische SPD-Justizminister, hielt im Öffentlichen Fernsehen mit dem Argument dagegen, dass Fälle statistisch erfasster Gewaltvorfälle an Schulen seit Jahrzehnten rückläufig seien.

Verschwiegen hat er dabei allerdings zweierlei:

  1. Es gibt gar keine aktuellen bundesweiten Erhebungen, die eine klare Auskunft darüber geben könnten, weil es – und das betrifft auch Fälle religiösen Mobbings – dazu keine bundesweite Meldepflicht gibt. Es gibt zwar für bestimmte Vorfälle Statistiken in den Bundesländern, aber die sind lückenhaft und werden nach sehr differierenden Kriterien erstellt.
  2. Für die Länder, wo es aktuelle Zahlen gibt, zeichnet sich allerdings seit zwei Jahren eine deutliche Trendwende ab. Alles deutet darauf hin, dass Gewaltvorfälle an Schulen nach Jahrzehnten des Rückgangs nunmehr wieder deutlich ansteigen.

Während die Zahl angezeigter Gewalttäter zuvor stets zurückgegangen war, stieg sie nunmehr allein an bayerischen Schulen von 2015 bis 2017 um fast 20 Prozent an. Ähnlich die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen und Berlin, für die ebenfalls ganz aktuelle Zahlen vorliegen. Laut polizeilicher Kriminalstatistik stieg die Zahl der Straftaten an Schulen in NRW von 25596 (2015) auf 27541 (2017). Gleich nach Diebstahldelikten folgen dabei Körperverletzungen (plus 15 Prozent) und Sachbeschädigungen. Vergleichbar die Entwicklung in Berlin: Dort konzentriert sich die Mehrzahl der Gewalttaten auf wenige Problembezirke wie Marzahn-Hellersdorf, Neukölln und Lichtenberg und dort wiederum auf Schulen mit einer extrem einseitigen Schülerzusammensetzung und einem übergroßen Migrationsanteil.

Zwei Vorfälle standen in den letzten Wochen besonders im Fokus der Öffentlichkeit. Die Messerattacke auf eine Lehrerin in Baden-Württemberg und das Mobbing eines jüdischen Kindes durch muslimische Jugendliche. Auch wenn beides Extrembeispiele sein mögen, Einzelfälle sind es nicht. In Niedersachsen hat eine Schülerbefragung ergeben, dass rund 10 Prozent der Schüler öfter Messer in die Schule mitbringen. Auch wenn dahinter meist keine konkreten Aggressionsabsichten stehen, erhöht sich dadurch die Gefahr der Eskalation von Konflikten um ein Vielfaches. Auch die Zahl der Attacken mit den inzwischen in Supermärkten leicht erwerbbaren Pfefferspraydosen hat 2017 signifikant zugenommen.

Mit Sicherheit besteht noch kein Anlass für Eltern, sich Sorgen zu machen, wenn man am Morgen sein Kind zur Schule schickt. Angesichts von 40 000 Schulen in Deutschland sind die Gewaltvorfälle im internationalen Vergleich noch relativ gering.

Es gilt aber auch hier, so wie generell, den Anfängen von Anfang an konsequent zu wehren.

Es besteht Handlungsbedarf

Dazu gehört aus Sicht des Deutschen Lehrerverbands, zum einen endlich eine bundesweit einheitliche Meldepflicht für Vorfälle psychischer und physischer Gewalt einzuführen, zweitens von Seiten der Politik besonders betroffenen Schulen mehr personelle Unterstützung zur Verfügung zu stellen, also z.B. Sozialarbeiter und Psychologen, drittens solche Vorfälle aus falsch verstandener Angst um den Ruf der Schule nicht unter den Teppich zu kehren und den Opfern, seien es Schüler oder Lehrkräfte, mit allen Kräften zu helfen, viertens mehr Sanktionsmöglichkeiten in Bezug auf die Täter zu schaffen und diese auch konsequent anzuwenden und schließlich auch dem Thema Gewaltprävention sowohl schulintern als auch bei Fortbildungen einen deutlich höheren Stellenwert einzuräumen.

Klar ist aber auch: Schule ist Spiegelbild der Gesellschaft und beim Thema Gewalt spiegeln sich Integrationsdefizite, soziale Schieflagen, die Segregation sozialer und ethnischer Gruppen und ungelöste gesellschaftliche Konflikte an Schulen. Schule ist gefordert,- ohne Unterstützung der Politik ist sie aber letztlich machtlos.

Noch sind wir von amerikanischen Verhältnissen weit entfernt, wo Schulen mit Sicherheitsschleusen, eigenem Wachpersonal, elektrischen Zäunen und regelmäßigen Schultaschenkontrollen zum Teil zu Hochsicherheitstrakten umgebaut wurden. Wenn wir aber nicht wollen, dass diese Zustände näher rücken, besteht akuter Handlungsbedarf.

Soll man den Bildungsföderalismus abschaffen?

Es vergeht heute kaum ein Monat in Deutschland, in dem nicht eine demoskopische Umfrage veröffentlicht wird, wonach 80 oder 90 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung für eine Bundeskompetenz in Schul- und Bildungsfragen sind. Der Ärger über den Bildungsföderalismus, so wie er heute funktioniert – oder besser gesagt: so, wie er heute leider nicht funktioniert – ist übergroß.

Aus mindestens zwei Gründen wird er aber nicht abgeschafft werden, heute nicht und auch morgen nicht:

  1. Die Zuständigkeit für das Schulwesen ist eigentlich die letzte Kernzuständigkeit, die den Bundesländern noch geblieben ist. Bei einem Wegfall der Gestaltungskompetenz im Schulbereich wäre das Bundesstaatsprinzip grundsätzlich in Frage gestellt. Und genau das hat unsere Verfassung in Art. 79 (3) GG mit einer Ewigkeitsgarantie versehen.
  2. Zwar sind viele Bürger mit Recht sehr kritisch gegenüber der Bildungspolitik in vielen Ländern eingestellt, im Grund wissen sie aber auch, dass sich durch eine Bundeszuständigkeit nichts verbessern würde. Im Gegenteil: Zentralismus bedeutet immer auch Nivellierung auf niedrigerem Niveau und letztendlich noch mehr Praxis- und Schulstandortferne. Wäre im Nachkriegsdeutschland von Anfang an der Bund für Schulfragen zuständig gewesen, gäbe es bei uns seit den 70er-Jahren eine Einheitsschule mit insgesamt noch schlechteren Leistungsergebnissen.

Trotzdem funktioniert der Bildungsföderalismus derzeit bei uns nicht so richtig, wie der Wildwuchs an Schularten und die enorm hohen Leistungsdifferenzen zwischen einzelnen Bundesländern zeigen.

Mit der Lockerung des Kooperationsverbots durch die Erweiterung der Art. 104 c GG ist die Zuständigkeit der Länder bei der inhaltlichen Gestaltung des Schulbereichs und beim Personal unangetastet geblieben, dem Bund aber die Möglichkeit gegeben worden, sich bei Investitionen in die schulische Infrastruktur zu beteiligen. Das begrüßt der Deutsche Lehrerverband.

Was wir aber unbedingt brauchen, ist ein echter Wettbewerb zwischen den Ländern im Bildungsbereich, der bislang durch die Blockade leistungsschwacher und leistungsfeindlicher Bundesländer in der Kultusministerkonferenz verhindert wurde. Um echten Wettbewerb bei gleichzeitig notwendiger Einigung auf möglichst hohe gemeinsame Leistungsstandards zu erreichen, brauchen wir eine neue Vereinbarung zwischen den Ländern im Bildungsbereich oberhalb der KMK. Ich plädiere für einen Bildungsstaatsvertrag, der endlich Vergleichbarkeit auf hohem Niveau, ein Ende der Reformwut in der Bildungspolitik und möglichst hohe Mobilität zwischen den Bundesländern sicherstellt. Wir brauchen bundeseinheitliche klare Regelungen zu Beginn und Dauer der Schulpflicht, den Übergang in die Sekundarstufe I und II, die Zulassung zur Abiturprüfung, wo derzeit jedes Land eigene Modelle fährt, zur einheitlichen Zuordnung von Lehrämtern zu Besoldungsstufen, zur Qualität einer differenzierten Lehrerbildung und wir brauchen eine Ende des Wildwuchses von immer neuen Schulformen.

Letztendlich kann ein Wettbewerbsföderalismus im Bildungsbereich auch nur funktionieren, wenn größtmögliche Transparenz herrscht und wenn die Bundesländer, die am Ende der Leistungsskala stehen, den Mut haben, wieder mehr Leistung einzufordern.

Ein so verstandener ehrlicher und offener Wettbewerbsföderalismus, der sich in einem Staatsvertrag auf grundsätzliche Standards und Regeln verständigt hat, wird auch in der Bevölkerung wieder mehr Zustimmung und Akzeptanz finden.

Heinz-Peter Meidinger,

Präsident des Deutschen Lehrerverbands

Noten erfüllen eine wichtige Funktion: Sie geben eine klare Rückmeldung, wo ein Schüler steht

Es gibt gute Gründe, warum in keinem Land der Welt auf Noten im Schulsystem verzichtet wird, auch in den angeblich so fortschrittlichen skandinavischen Ländern nicht, zumindest, was Abschlussprüfungen betrifft:

Zum einen hat sich gezeigt, dass Verbalbeurteilungen nicht objektiver, dafür aber kaum vergleichbar und damit für Schüler, Eltern, zukünftige Arbeitgeber und Universitäten schwer lesbar sind. Aus diesen Einschätzungen ist oft nicht erkennbar, ob Schüler im oberen Leistungsdrittel, in der Mitte oder eher darunter stehen. Da dabei manches sprachlich geglättet wird, nehmen außerdem Eltern solche Einschätzungen sehr selektiv wahr. Das heißt, sie sehen eher das Positive und nicht die leicht angedeuteten Schwächen.

Notenzeugnisse sind außerdem Grundlage für eine Lehrstellenbewerbung oder einen Studienplatz. Der Verzicht auf Noten in der Schule würde dazu führen, dass nicht Schulnoten, sondern andere Kriterien, Verbalisierungs- und Selbstdarstellungsfähigkeit, Beziehungen, Einfluss von Eltern, Zusatzqualifikationen wie Auslandsaufenthalte, die vor allem vermögende Eltern finanzieren können, zu den entscheidenden Kriterien werden, aufgrund derer Arbeitsplätze, Anstellungen und Studienplätze verteilt werden.

Natürlich haben auch Ziffernnoten eine subjektive Komponente, sie können von Vergleichsgruppen abhängig und daher letztlich im Einzelfall nicht völlig objektiv sein. Doch wissenschaftliche Studien zeigen: Die Einzelnote mag manchmal ungerecht sein, die Durchschnittsnoten in der Summe sind es nicht. So weist die Abiturdurchschnittsnote immer noch die höchste Prognosekraft dafür auf, ob – bezogen auf die Mehrzahl der Studienfächer – ein erfolgreicher Abschluss erzielt werden kann. Und im Übrigen: Auch die große Mehrzahl der Betroffenen, der Schüler und Eltern, lehnt Ziffernnoten nicht ab. Alles, was ich an Alternativen kenne, von der schriftlichen Beurteilung bis hin zum Eltern-Lehrer-Gespräch erfüllt nicht die Funktion von Noten, nämlich eine klare Rückmeldung zu geben, wo der Schüler in Bezug auf seine Leistungen steht.