Warum die massenhafte Einstellung von Seiteneinsteigern keine Lösung für den Lehrermangel ist

von Heinz-Peter Meidinger

Es gab schon immer Quer- und Seiteneinsteiger an deutschen Schulen. Was die heutige Situation davon unterscheidet, ist die Tatsache, dass der Seiten- oder Direkteinstieg von Lehramtsbewerbern ohne jegliche pädagogische Vorbildung in einigen Bundesländern wie Sachsen und Berlin zum Regelfall geworden ist, aber auch sonst zahlenmäßig stark ansteigt.

Den Seiteneinstieg unterscheidet vom Quereinstieg, dass man hierbei vom ersten Tag der Anstellung an eigenverantwortlich unterrichtet und die pädagogisch-fachdidaktisch-methodische Ausbildung – wenn überhaupt – berufsbegleitend erfolgt. Man stelle sich einmal vor, wenn dies in anderen Berufsfeldern Praxis wäre:

Im Krankenhaus werden Sie von Menschen behandelt, die sich berufsbegleitend qualifizieren, Sie sitzen im Flugzeug und werden von Seiteneinsteiger-Piloten geflogen oder Sie haben einen Gerichtstermin, bei dem der Richter kein juristisches Staatsexamen hat.

Unvorstellbar? Beim Lehrerberuf offensichtlich nicht.

Offensichtlich sind viele Landesregierungen der Ansicht, das, was man in 5 Jahren Studium, mit einer Reihe von Praktika während des Studiums und in einem 18- bis 24-monatigen Referendariat an professionellem Lehrerwissen und an Handlungskompetenzen erwirbt, sei auch „berufsbegleitend“ in wenigen Monaten nachholbar. Dabei ist diese Einschätzung grundfalsch, was übrigens auch die hohen Abbrecherzahlen von Seiteneinsteigern und die teilweise verdoppelten Durchfallerzahlen bei den nachgeholten pädagogischen Examensprüfungen zeigen.

Seiteneinsteiger sind willkommene Nothelfer bei dem in vielen Bundesländern selbstverschuldeten massiven Lehrermangel insbesondere an Grundschulen, weil die dortigen Regierungen nicht oder zu spät auf steigende Geburtenraten und stark anwachsende Zuwanderung reagiert haben. Deshalb haben die zuständigen Ministerien in der Regel ein hohes Interesse daran, dass die „Neulehrkräfte“ von Anfang an viele Unterrichtsstunden geben und ein geringen Interesse daran, die potenziellen Seiteneinsteiger auf ihre Eignung hin zu überprüfen, beispielsweise, ob dahingehend, ob diese überhaupt eine besondere Affinität zu Kindern besitzen.

Die berufsbegleitende Ausbildung fristet dagegen sowohl stundenmäßig als auch qualitativ – wegen des Mangel an qualifizierten Seminar- und Ausbildungslehrkräften – meist ein Schattendasein. Für die Seiteneinsteiger stellen deshalb diese ersten beiden Jahre eine systembedingte massive Überforderung dar. Weder haben sie die Zeit und das Wissen, sich ordentlich auf den Unterricht vorzubereiten, noch die nötigen Freiräume sowie das Reflexionsvermögen, von der berufsbegleitenden Lehrerausbildung zu profitieren.

Natürlich kann man auch als Seiteneinsteiger im Lehrberuf erfolgreich sein, – kein Zweifel.

Allerdings erfordert dies bestimmte Grundvoraussetzungen:

  1. Das absolvierte Studium sollte, auch wenn es kein Lehramtsstudium war, zumindest einen fachlichen oder pädagogischen Bezug zur Lehrertätigkeit aufweisen.
  2. Es erfolgt eine pädagogisch-didaktisch-methodische Nachqualifizierung, die wenn sie schon nicht in einem Referendariat besteht, dann zumindest qualitativ ebenbürtig ist.
  3. Der Anteil von Seiteneinsteigern an einer Schule darf nicht zu hoch sein, so dass in der Einstiegsphase erfahrene Lehrkräfte diese etwa in Form von Tandems persönlich unterstützen und coachen können.
  4. Es muss bereits bei der Prüfung der Bewerbung darauf geachtet werden, dass es sich um Personen handelt, die genügend Motivation mitbringen und die – sehr wichtig – auch die deutsche Sprache sehr gut beherrschen. In Berlin hat die frühere Bezirksbürgermeisterin von Neukölln, Frau Giffey, erst vor wenigen Monaten darüber geklagt, dass das bei einer Reihe von Seiteneinsteigern im Grundschullehramt erkennbar nicht der Fall sei.

Es wird gerne die Frage gestellt, was die Alternative zu Seiteneinsteigern sei, schlechter Unterricht sei doch noch immer besser als ausgefallener.

Dies ist wohl auch die heimliche Begründung dafür, dass bei Seiteneinsteigern viele bisher gültigen Qualitätsstandards in den Bundesländern heimlich über Bord geworfen wurden.

Die grundsätzliche Alternative ist jedoch eine langfristige Bedarfsplanung, was den Lehrerbedarf und den Ausbau der Lehramtsstudienplätze an Hochschulen betrifft. Die kurzfristige Forderung muss aber sein, die Qualität der berufsbegleitenden Nachqualifizierung deutlich zu steigern und das derzeitige Unterrichtsdeputat für Seiteneinsteiger massiv abzusenken.

Heinz-Peter Meidinger

Sich gesund ernähren, an der frischen Luft bewegen, Gesundheitsinfos richtig deuten: Was lässt sich an Schulen für mehr Gesundheitskompetenz tun?

In der Tat kommt dem Bildungssystem bei der Förderung der Gesundheitskompetenz eine zentrale Rolle zu. Der Deutsche Lehrerverband fordert aus diesem Grund ein für alle Bundesländer verbindliches Gesamtkonzept zur Gesundheitserziehung beginnen in den Kinderhorten und Kindergärten bis hin zum Hochschulbereich.

Dazu braucht es nicht unbedingt die Etablierung eines neuen Schulfachs, aber zumindest verbindliche Vorgaben als Querschnittsaufgabe aller Fächer und in den entsprechenden Lehrplänen. Außerdem erfordert die Förderung von Gesundheitskompetenz eine enge Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule, ohne intensiven Einbezug der Erziehungsberechtigten wird Gesundheitserziehung nicht erfolgreich sein können.

Heinz-Peter Meidinger

Präsident des Deutschen Lehrerverbands

Gewalt an Schulen – modisches Medienthema oder reales Problem?

von Heinz-Peter Meidinger

In den letzten Wochen und Monaten hat – ausgelöst durch eine Messerattacke auf eine Grundschullehrkraft durch einen Schüler sowie Fälle religiösen Mobbings – das Thema „Gewalt an deutschen Schulen“ in der bundesdeutschen Medienlandschaft Hochkonjunktur gehabt.

Schwierig gestaltet sich eine sachliche Analyse der Thematik allerdings schon deshalb, weil dabei eine Reihe teilweise recht unterschiedlicher Sachverhalte munter durcheinander gemischt werden:

Fälle physischer und psychischer Gewaltanwendung zwischen Schülern und Schülergruppen, das Mitbringen gefährlicher Gegenstände in Schulen, Aggressivität gegenüber Lehrkräften, Integrationskonflikte,

Cybermobbing sowie Antisemitismusvorfälle und religiöses Mobbing.

Große Aufmerksamkeit erregte zudem die Tatsache, dass an einigen Schulen nicht nur in sozialen Brennpunkten inzwischen eigene private Wachdienste eingesetzt werden.

Anstieg der Gewaltvorfälle an Schulen

Als ich als deshalb vor wenigen Wochen als Präsident des Deutschen Lehrerverbands in einem Interview für die BILD-Zeitung darauf hinwies, dass insbesondere an Schulen mit einer ungünstigen sozialen Zusammensetzung der Schülerschaft sowie einem hohen Migrationsanteil amerikanische Zustände drohten, wenn nicht gegengesteuert würde, gab es zunächst einmal Abwiegelungsversuche.

Christian Pfeiffer, der ehemalige niedersächsische SPD-Justizminister, hielt im Öffentlichen Fernsehen mit dem Argument dagegen, dass Fälle statistisch erfasster Gewaltvorfälle an Schulen seit Jahrzehnten rückläufig seien.

Verschwiegen hat er dabei allerdings zweierlei:

  1. Es gibt gar keine aktuellen bundesweiten Erhebungen, die eine klare Auskunft darüber geben könnten, weil es – und das betrifft auch Fälle religiösen Mobbings – dazu keine bundesweite Meldepflicht gibt. Es gibt zwar für bestimmte Vorfälle Statistiken in den Bundesländern, aber die sind lückenhaft und werden nach sehr differierenden Kriterien erstellt.
  2. Für die Länder, wo es aktuelle Zahlen gibt, zeichnet sich allerdings seit zwei Jahren eine deutliche Trendwende ab. Alles deutet darauf hin, dass Gewaltvorfälle an Schulen nach Jahrzehnten des Rückgangs nunmehr wieder deutlich ansteigen.

Während die Zahl angezeigter Gewalttäter zuvor stets zurückgegangen war, stieg sie nunmehr allein an bayerischen Schulen von 2015 bis 2017 um fast 20 Prozent an. Ähnlich die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen und Berlin, für die ebenfalls ganz aktuelle Zahlen vorliegen. Laut polizeilicher Kriminalstatistik stieg die Zahl der Straftaten an Schulen in NRW von 25596 (2015) auf 27541 (2017). Gleich nach Diebstahldelikten folgen dabei Körperverletzungen (plus 15 Prozent) und Sachbeschädigungen. Vergleichbar die Entwicklung in Berlin: Dort konzentriert sich die Mehrzahl der Gewalttaten auf wenige Problembezirke wie Marzahn-Hellersdorf, Neukölln und Lichtenberg und dort wiederum auf Schulen mit einer extrem einseitigen Schülerzusammensetzung und einem übergroßen Migrationsanteil.

Zwei Vorfälle standen in den letzten Wochen besonders im Fokus der Öffentlichkeit. Die Messerattacke auf eine Lehrerin in Baden-Württemberg und das Mobbing eines jüdischen Kindes durch muslimische Jugendliche. Auch wenn beides Extrembeispiele sein mögen, Einzelfälle sind es nicht. In Niedersachsen hat eine Schülerbefragung ergeben, dass rund 10 Prozent der Schüler öfter Messer in die Schule mitbringen. Auch wenn dahinter meist keine konkreten Aggressionsabsichten stehen, erhöht sich dadurch die Gefahr der Eskalation von Konflikten um ein Vielfaches. Auch die Zahl der Attacken mit den inzwischen in Supermärkten leicht erwerbbaren Pfefferspraydosen hat 2017 signifikant zugenommen.

Mit Sicherheit besteht noch kein Anlass für Eltern, sich Sorgen zu machen, wenn man am Morgen sein Kind zur Schule schickt. Angesichts von 40 000 Schulen in Deutschland sind die Gewaltvorfälle im internationalen Vergleich noch relativ gering.

Es gilt aber auch hier, so wie generell, den Anfängen von Anfang an konsequent zu wehren.

Es besteht Handlungsbedarf

Dazu gehört aus Sicht des Deutschen Lehrerverbands, zum einen endlich eine bundesweit einheitliche Meldepflicht für Vorfälle psychischer und physischer Gewalt einzuführen, zweitens von Seiten der Politik besonders betroffenen Schulen mehr personelle Unterstützung zur Verfügung zu stellen, also z.B. Sozialarbeiter und Psychologen, drittens solche Vorfälle aus falsch verstandener Angst um den Ruf der Schule nicht unter den Teppich zu kehren und den Opfern, seien es Schüler oder Lehrkräfte, mit allen Kräften zu helfen, viertens mehr Sanktionsmöglichkeiten in Bezug auf die Täter zu schaffen und diese auch konsequent anzuwenden und schließlich auch dem Thema Gewaltprävention sowohl schulintern als auch bei Fortbildungen einen deutlich höheren Stellenwert einzuräumen.

Klar ist aber auch: Schule ist Spiegelbild der Gesellschaft und beim Thema Gewalt spiegeln sich Integrationsdefizite, soziale Schieflagen, die Segregation sozialer und ethnischer Gruppen und ungelöste gesellschaftliche Konflikte an Schulen. Schule ist gefordert,- ohne Unterstützung der Politik ist sie aber letztlich machtlos.

Noch sind wir von amerikanischen Verhältnissen weit entfernt, wo Schulen mit Sicherheitsschleusen, eigenem Wachpersonal, elektrischen Zäunen und regelmäßigen Schultaschenkontrollen zum Teil zu Hochsicherheitstrakten umgebaut wurden. Wenn wir aber nicht wollen, dass diese Zustände näher rücken, besteht akuter Handlungsbedarf.

Soll man den Bildungsföderalismus abschaffen?

Es vergeht heute kaum ein Monat in Deutschland, in dem nicht eine demoskopische Umfrage veröffentlicht wird, wonach 80 oder 90 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung für eine Bundeskompetenz in Schul- und Bildungsfragen sind. Der Ärger über den Bildungsföderalismus, so wie er heute funktioniert – oder besser gesagt: so, wie er heute leider nicht funktioniert – ist übergroß.

Aus mindestens zwei Gründen wird er aber nicht abgeschafft werden, heute nicht und auch morgen nicht:

  1. Die Zuständigkeit für das Schulwesen ist eigentlich die letzte Kernzuständigkeit, die den Bundesländern noch geblieben ist. Bei einem Wegfall der Gestaltungskompetenz im Schulbereich wäre das Bundesstaatsprinzip grundsätzlich in Frage gestellt. Und genau das hat unsere Verfassung in Art. 79 (3) GG mit einer Ewigkeitsgarantie versehen.
  2. Zwar sind viele Bürger mit Recht sehr kritisch gegenüber der Bildungspolitik in vielen Ländern eingestellt, im Grund wissen sie aber auch, dass sich durch eine Bundeszuständigkeit nichts verbessern würde. Im Gegenteil: Zentralismus bedeutet immer auch Nivellierung auf niedrigerem Niveau und letztendlich noch mehr Praxis- und Schulstandortferne. Wäre im Nachkriegsdeutschland von Anfang an der Bund für Schulfragen zuständig gewesen, gäbe es bei uns seit den 70er-Jahren eine Einheitsschule mit insgesamt noch schlechteren Leistungsergebnissen.

Trotzdem funktioniert der Bildungsföderalismus derzeit bei uns nicht so richtig, wie der Wildwuchs an Schularten und die enorm hohen Leistungsdifferenzen zwischen einzelnen Bundesländern zeigen.

Mit der Lockerung des Kooperationsverbots durch die Erweiterung der Art. 104 c GG ist die Zuständigkeit der Länder bei der inhaltlichen Gestaltung des Schulbereichs und beim Personal unangetastet geblieben, dem Bund aber die Möglichkeit gegeben worden, sich bei Investitionen in die schulische Infrastruktur zu beteiligen. Das begrüßt der Deutsche Lehrerverband.

Was wir aber unbedingt brauchen, ist ein echter Wettbewerb zwischen den Ländern im Bildungsbereich, der bislang durch die Blockade leistungsschwacher und leistungsfeindlicher Bundesländer in der Kultusministerkonferenz verhindert wurde. Um echten Wettbewerb bei gleichzeitig notwendiger Einigung auf möglichst hohe gemeinsame Leistungsstandards zu erreichen, brauchen wir eine neue Vereinbarung zwischen den Ländern im Bildungsbereich oberhalb der KMK. Ich plädiere für einen Bildungsstaatsvertrag, der endlich Vergleichbarkeit auf hohem Niveau, ein Ende der Reformwut in der Bildungspolitik und möglichst hohe Mobilität zwischen den Bundesländern sicherstellt. Wir brauchen bundeseinheitliche klare Regelungen zu Beginn und Dauer der Schulpflicht, den Übergang in die Sekundarstufe I und II, die Zulassung zur Abiturprüfung, wo derzeit jedes Land eigene Modelle fährt, zur einheitlichen Zuordnung von Lehrämtern zu Besoldungsstufen, zur Qualität einer differenzierten Lehrerbildung und wir brauchen eine Ende des Wildwuchses von immer neuen Schulformen.

Letztendlich kann ein Wettbewerbsföderalismus im Bildungsbereich auch nur funktionieren, wenn größtmögliche Transparenz herrscht und wenn die Bundesländer, die am Ende der Leistungsskala stehen, den Mut haben, wieder mehr Leistung einzufordern.

Ein so verstandener ehrlicher und offener Wettbewerbsföderalismus, der sich in einem Staatsvertrag auf grundsätzliche Standards und Regeln verständigt hat, wird auch in der Bevölkerung wieder mehr Zustimmung und Akzeptanz finden.

Heinz-Peter Meidinger,

Präsident des Deutschen Lehrerverbands

Noten erfüllen eine wichtige Funktion: Sie geben eine klare Rückmeldung, wo ein Schüler steht

Es gibt gute Gründe, warum in keinem Land der Welt auf Noten im Schulsystem verzichtet wird, auch in den angeblich so fortschrittlichen skandinavischen Ländern nicht, zumindest, was Abschlussprüfungen betrifft:

Zum einen hat sich gezeigt, dass Verbalbeurteilungen nicht objektiver, dafür aber kaum vergleichbar und damit für Schüler, Eltern, zukünftige Arbeitgeber und Universitäten schwer lesbar sind. Aus diesen Einschätzungen ist oft nicht erkennbar, ob Schüler im oberen Leistungsdrittel, in der Mitte oder eher darunter stehen. Da dabei manches sprachlich geglättet wird, nehmen außerdem Eltern solche Einschätzungen sehr selektiv wahr. Das heißt, sie sehen eher das Positive und nicht die leicht angedeuteten Schwächen.

Notenzeugnisse sind außerdem Grundlage für eine Lehrstellenbewerbung oder einen Studienplatz. Der Verzicht auf Noten in der Schule würde dazu führen, dass nicht Schulnoten, sondern andere Kriterien, Verbalisierungs- und Selbstdarstellungsfähigkeit, Beziehungen, Einfluss von Eltern, Zusatzqualifikationen wie Auslandsaufenthalte, die vor allem vermögende Eltern finanzieren können, zu den entscheidenden Kriterien werden, aufgrund derer Arbeitsplätze, Anstellungen und Studienplätze verteilt werden.

Natürlich haben auch Ziffernnoten eine subjektive Komponente, sie können von Vergleichsgruppen abhängig und daher letztlich im Einzelfall nicht völlig objektiv sein. Doch wissenschaftliche Studien zeigen: Die Einzelnote mag manchmal ungerecht sein, die Durchschnittsnoten in der Summe sind es nicht. So weist die Abiturdurchschnittsnote immer noch die höchste Prognosekraft dafür auf, ob – bezogen auf die Mehrzahl der Studienfächer – ein erfolgreicher Abschluss erzielt werden kann. Und im Übrigen: Auch die große Mehrzahl der Betroffenen, der Schüler und Eltern, lehnt Ziffernnoten nicht ab. Alles, was ich an Alternativen kenne, von der schriftlichen Beurteilung bis hin zum Eltern-Lehrer-Gespräch erfüllt nicht die Funktion von Noten, nämlich eine klare Rückmeldung zu geben, wo der Schüler in Bezug auf seine Leistungen steht.

Bildung in Deutschland – Diagnosen und Perspektiven des Deutschen Lehrerverbandes

Zur Diskussion gestellt

  1. Das allgemeinbildende und berufsbildende Bildungswesen in Deutschland steht vor Herausforderungen, die seit geraumer Zeit erkennbar sind, die in ihrer Brisanz aber immer noch nicht hinreichend ernstgenommen werden.

1.1 Die Pluralisierung und Individualisierung der Lebensstile lässt herkömmliche Milieus mehr und mehr verschwinden und neue entstehen; zugleich harmonisieren sich die Bildungserwartungen der Eltern in Richtung formal höherer Bildungsabschlüsse. Diese Pluralisierung geht einher mit einem veränderten Verständnis der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und in der Folge mit einem veränderten Verständnis von häuslicher Erziehung.

1.2 Die öffentliche Bildungsdebatte wird in erheblichem Maße mitbestimmt von Publizisten, Wirtschaftsorganisationen (z.B. OECD), Stiftungen und Bildungswissenschaftlern, die sich einer Vereinheitlichung des Bildungswesens, einer Beschränkung föderaler Kompetenzen, einer bloßen Steigerung formal höherer Bildungsabschlüsse, einer fortschreitenden Verstaatlichung von Erziehung sowie einer Ausrichtung von Bildung auf messbare Ziele und verwertbare Inhalte verschrieben haben.

1.3 Die Ergebnisse mehrerer Landtagswahlen der Jahre 2008 bis 2012 weisen bildungspolitisch in Richtung einer Egalisierung von Bildungsstrukturen und Bildungsinhalten. Herkömmliche bildungsbürgerliche Haltungen und Vorstellungen von Bildung (Leistungsprinzip, Differenzierung usw.) finden in immer weniger Parteien Widerhall.

1.4 Die ungeregelte Migrationspolitik der Bundesrepublik der vergangenen Jahrzehnte hat für die Bildungseinrichtungen eine je nach Region zum Teil schwer integrierbare, zum Teil nicht integrationswillige Schülerpopulation geschaffen, mit der nicht nur der Sozialstaat, sondern vor allem das Schul- und Berufsbildungswesen überfordert sind.

1.5 Mitbedingt durch zurückliegende bildungspolitische Setzungen, durch unterschiedliche demographische Entwicklungen und durch unterschiedliche wirtschaftsrelevante Standortfaktoren droht Deutschland eine zweifache Teilung: demographisch eine West-Ost-Teilung, ökonomisch und bildungspolitisch eine Süd-Nord-Teilung.

1.6 Das Bildungswesen in Deutschland ist in einigen Bereichen und manchen deutschen Ländern chronisch unterfinanziert. Im internationalen Vergleich gehört Deutschland beim Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt keineswegs zur Spitze. Der demographische Wandel ist diesbezüglich als Chance zu sehen. Die zurückgehenden Schülerzahlen müssen Anlass für eine verbesserte Finanzierung von Bildung sein. Demographisch begründete Sparmaßnahmen sind völlig fehl am Platz. Gerade auch im Interesse des Erhalts eines differenzierten Bildungsangebots und einer verbesserten individuellen Förderung muss in die Bildung pro Schüler mehr Geld investiert werden.

1.7 Die Bildungspolitik und die Bildungsdebatte in Deutschland sind einseitig fixiert auf das allgemeinbildende Schulwesen und auf das Hochschulwesen. Der große Sektor der beruflichen Bildung erscheint öffentlich als völlig unterbewertet. Dabei fährt Deutschland – wie Österreich und die Schweiz – ausgesprochen gut mit seinen Strukturen beruflicher Bildung. Deshalb gilt: Eine formale „Verhochschulung“ der Gesellschaft wird der Forderung nach Höherqualifizierung nicht gerecht. Auch in Zukunft werden ca. zwei Drittel der jungen Menschen über die berufliche Bildung den Einstieg in einen Beruf finden. Diese jungen Menschen und deren Qualifikationen müssen stärker in den Focus der politischen und der bildungswissenschaftlichen Debatten gerückt werden.

  1. Eine Nation, die kulturell, wirtschaftlich und politisch bestehen will, muss in Zeiten fortschreitender, global bedingter Pluralisierungen ein differenziertes und qualitativ anspruchsvolles Bildungswesen vorhalten. Der Bedarf an Pluralität und an unterschiedlichen Profilen unterschiedlicher Bildungseinrichtungen ergibt sich aus der großen Bandbreite der Begabungen und Neigungen junger Menschen sowie aus der Heterogenität der Qualifikationsanforderungen und Lebensentwürfe.

2.1 Wie in anderen gesellschaftspolitischen Bereichen muss auch in Fragen der Bildung Freiheit Vorrang vor Gleichheit haben. An der Unterschiedlichkeit und an der Vielfalt von Menschen ändern kein Bildungssystem und kein noch so gestalteter Unterricht etwas. Es bleibt das Dilemma des pädagogischen Egalitarismus: Egalitäre Schulpolitik erzielt Gleichheit üblicherweise durch Absenkung des Anspruchsniveaus. Wer aber die Ansprüche senkt, der bindet gerade junge Menschen aus schwierigeren Milieus in ihren eingeschränkten Möglichkeiten fest. Selbst ein hochindividualisierender Unterricht zementiert Unterschiede: Je mehr Schüler ihren individuellen Möglichkeiten entsprechend gefördert werden, desto mehr schlägt die individuelle Begabung durch. Bildung ist im übrigen keine Veranstaltung zur Schaffung von Gleichheit, sondern zur Förderung von verschiedenen  Begabungen und Neigungen.

2.2 Die Behauptung, weltweit habe sich die Einheits- und Gesamtschule als überlegen durchgesetzt, ist völlig unzutreffend. Für Deutschland gilt: Gesamtschule in Deutschland hat trotz privilegierter Personal- und Sachausstattung Jahrzehnte der Erfolglosigkeit hinter sich. Nicht unproblematisch ist auch der Trend zu einem zweigliedrigen Schulwesen. In einem solchen Schulwesen, vor allem in dessen nicht-gymnasialem Zweig, kommt es zu einer problematischen Heterogenisierung der Schülerschaft. Folge ist, dass jeweils ein beachtlicher Teil der Schüler überfordert und ein anderer unterfordert bleibt.

2.3 Deutschland braucht keine profillosen, vereinheitlichten Schulformen, sondern möglichst vielgliedrig differenzierte und profilierte allgemeinbildende und berufsbildende Schulformen. Ein solches Schulwesen muss noch mehr zur Chiffre für Individualisierung werden. Letzteres ist möglich, wenn man den Schulen über eine volle Lehrerversorgung hinaus einen nennenswerten Zuschlag an Lehrerstunden gewährt. Mit diesem Zuschlag kann man in Krankheitszeiten Unterrichtsausfall vermeiden; in den anderen Wochen Förderkurse für Spitzen- und für Risikoschüler einrichten. Individualisierung darf freilich nicht zu einer Auflösung der je eigenen Profile unterschiedlicher Schulformen und Bildungsgänge führen.

2.4 Die Durchlässigkeit des Bildungswesens ist ein hoher Wert. Es ist allerdings zu unterscheiden zwischen horizontaler und vertikaler Durchlässigkeit. Die horizontale Durchlässigkeit zwischen verschiedenen Bildungseinrichtungen kann nur eine eingeschränkte sein, weil sie in größerem Stil nur möglich ist, wenn die Profile paralleler Bildungseinrichtungen vereinheitlicht werden. Wichtiger ist die vertikale Durchlässigkeit. Das heißt: Auf jeden Bildungsabschluss muss ein Anschluss an weiterführende Bildung möglich sein. Dies zeigt beispielhaft das schulische Berufsbildungssystem.

2.5 Vielgliedrigkeit, Differenzierung und Profilbildung muss sich in den curricularen Inhalten niederschlagen. Eine bloße Orientierung an inhaltlich nicht näher beschriebenen Kompetenzen provoziert ein Verwischen der Profile. Ansonsten sind konkrete Inhalte Voraussetzung für das Entstehen kognitiver Strukturen, für die Förderung fachübergreifenden Denkens, für mündiges Urteilen, für anspruchsvolle Kommunikation und für ideelle Orientierung. Die sog. Entrümpelungsdebatte ist ein Irrweg.

2.6 Bei aller notwendigen Differenzierung der Bildungslandschaft und der Bildungsabschlüsse müssen die Ansprüche über verschiedene Schulformen und über alle deutschen Länder hinaus im Sinne der Gleichbehandlung vor dem Gesetz (GG Artikel 3) und im Sinne „gleichwertiger Lebensverhältnisse“ (GG Artikel 72; vor 2006: „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“) vergleichbar sein. Es ist vorrangig die Aufgabe der Selbstkoordinierungsgremien der deutschen Länder, insbesondere der MPK und der KMK, diese Vergleichbarkeit unter Wahrung der Grundsätze des kooperativen und kompetitiven Föderalismus auf anspruchsvollem Niveau zu gewährleisten. Dazu bedarf es gerade im allgemeinbildenden Bereich keiner Kompetenzen des Bundes; dieser würde hier eher nach unten nivellierend wirken. Allerdings müssen die 16 deutschen Länder mehr als bislang auf bildungspolitische Eitelkeiten verzichten. Eines erheblich höheren Maßes an Koordinierung bedarf freilich die berufliche Bildung. Hier sind die Zuständigkeiten zu sehr atomisiert – auf mehrere Bundesministerien, auf Landesministerien und auf Kammern.

  1. Ein Bildungswesen muss gerecht sein. Gerecht ist es aber nur, wenn es Chancen zur eigenverantwortlichen Nutzung der Bildungsangebote und zur individuellen Leistungsentfaltung bietet. „Bildungsgerechtigkeit“ darf nicht darin bestehen, dass Strukturen, Inhalte und Anforderungen egalisiert werden. Ein gerechtes Bildungswesen kann nur ein Bildungswesen sein, das am Leistungsprinzip orientiert ist.

3.1 Bildung ist ohne Anstrengung sowie ohne die Investition von Zeit und  Energie nicht zu haben. Die seit Jahren von „progressiven“ Pädagogen suggerierte Vorstellung, Unterricht müsse so gestaltet werden, dass das Lernen stets „Spaß“ machen muss, ist falsch. Falsch ist auch die Behauptung, viele Heranwachsende seien durch die Schule überfordert. Dies mag zutreffen, wenn Kinder in die für sie falsche Schullaufbahn gedrängt wurden. Selbstverständlich ist auch eine Drill-Pädagogik fernösterlicher Ausprägung der falsche Weg. Aber in Deutschland hat sich die Klage über eine Überforderung der Schüler zuletzt bisweilen verselbständigt.

3.2 Wer das Leistungsprinzip in den Bildungseinrichtungen untergräbt, setzt eines der revolutionärsten demokratischen Prinzipien außer Kraft. In unfreien Gesellschaften sind Vermögensverhältnisse, familiäre Herkunft, Gesinnung oder Geschlecht Allokationskriterien. Freie Gesellschaften haben an deren Stelle das Kriterium Leistung vor Erfolg und Aufstieg gesetzt. Dies ist die große Chance zur Emanzipation für jeden Einzelnen.

3.3 Jeder soll seines Glückes Schmied sein können. Mit Ellenbogengesellschaft oder sozialer Kälte hat das nichts zu tun. Vielmehr ist auch der Sozialstaat zugunsten Benachteiligter, Kranker und Alter nur realisierbar mit der millionenfachen Leistung und Anstrengung der Leistungsfähigen. Sozialstaatlichkeit ist nur mit dem Leistungsprinzip machbar. Das Sozialprinzip kann nicht über das Leistungsprinzip gestellt werden.

3.4 Deutschland braucht Eliten, Demokratie darf nicht zum Diktat des Durchschnitts werden. Wer Elite sein kann, darüber gilt es auch in der Bildungspolitik zu streiten. Bloße Macht-Elite oder blanker Geldadel kann es nicht sein. Eine Leistungs- und Verantwortungselite muss es sein, die zugleich Reflexions- und Werte-Elite ist. Vor einem solchen Hintergrund ist selbst Ungleichheit gerecht – nämlich dann, wenn Elite allen nützt, das heißt, wenn das Handeln von Eliten zu einem gesamtgesellschaftlichen Mehrwert führt. Wir brauchen zudem ein Verständnis von Elite, bei dem neben dem Karrieregedanken der Gedanke des Dienens und des Respekts eine maßgebliche Rolle spielt. Elite heißt auch Verdient-Machen durch Dienen am Gemeinwohl.

3.5 Beim Start in die Bildungslaufbahn sollten alle gleiche Chancen haben, gleiche Zielchancen kann es nicht geben. Ziel aller öffentlichen Bildungsanstrengungen muss die Integration bzw. Inklusion aller Heranwachsenden in Gesellschaft und Gemeinwesen sein; die Wege dorthin können aber nur individuelle sein. Zugleich gilt: Chancen sind keine Vollkasko-Garantien, zu Erfolgsaussichten können sie erst durch eigene Anstrengung werden. Der Staat hat dabei eine Bringschuld, das heißt, er muss ein möglichst leistungsfähiges Bildungswesen vorhalten, die Adressaten haben eine Holschuld.

3.6 Verschiedenheit ist keine Ungerechtigkeit. Mit „Selektion“ hat dies nichts zu tun. Außerdem gilt: Das Prinzip Leistung und das Prinzip Auslese sind die beiden Seiten ein und derselben Medaille. Differenzierung ist eine notwendige Voraussetzung für individuelle Förderung von jungen Menschen. Die anti-thetische Formel „Fördern statt Auslesen“ ist insofern falsch.

3.7 Entgegen vielerlei Behauptungen ist das Bildungswesen in Deutschland sozial nicht ungerechter als das Bildungswesen vergleichbarer Nationen. Vielmehr gilt: Die zahlreichen Schul- und Hochschulgründungen der vergangenen Jahrzehnte kamen gerade bildungsfernen Schichten zugute. Zum Beispiel gibt es in Deutschland rund 50 verschiedene Wege zu einer Studierberechtigung. Es war außerdem das gegliederte Schulwesen, das die Abiturientenquote binnen 40 Jahren verfünffacht hat. Die Behauptung, durch die Integrierte Gesamtschule könne mehr sozialer Ausgleich stattfinden, ist falsch. Langzeitstudien belegen: Der Besuch einer Gesamtschule schafft keineswegs bessere soziale Aufstiegsmöglichkeiten. Des weiteren: Der Anteil der Studienberechtigten, die zuvor kein Gymnasium besuchten, ist immer größer geworden und hat in manchen deutschen Ländern die 50 Prozent überschritten. Nutznießer dieser Entwicklung sind gerade auch Kinder aus nichtakademischen Elternhäusern. Zudem gilt: Als Maßstab für die soziale Durchlässigkeit eines Bildungswesens ist PISA ungeeignet. PISA untersucht Fünfzehnjährige inmitten ihrer Bildungsbiographie, stellt für dieses Alter den Gymnasiastenanteil fest und berücksichtigt dabei nicht, welchen Bildungsabschluss die betreffende Population tatsächlich macht.

3.8 Es ist ein sozialpolitisch gebotenes, dem Prinzip der Subsidiarität geschuldetes Ziel, das Bildungsangebot für sozial schwächere Kinder zu verbessern. Um die Zahl der sog. Bildungsverlierer weiter zu reduzieren und um die Barriere der Selbstselektion überwinden zu helfen, muss es noch mehr als bisher gelingen, „bildungsferne“ Schichten zum Besuch weiterführender Bildungseinrichtungen zu motivieren. Eine besondere Aufgabe kommt dabei der vorschulischen Erziehung und der Bildungsberatung zu.

  1. Qualität und Quote stehen gerade im Bereich Bildung oft in einem reziproken Verhältnis. Priorität müssen Fragen der Qualität von Bildung und Ausbildung haben. Ein blankes Quotendenken wäre planwirtschaftlich.

4.1 Viele der deutschen Schul- und Berufsabschlüsse unterhalb der formal-akademischen Schwelle haben den gleichen Rang wie andernorts Hochschulabschlüsse. Es ist anzunehmen, dass das, was andere Staaten als „Abitur“ oder als „Studium“ deklarieren, in Deutschland oft nicht einmal einer Fachschulausbildung entspräche. Daher sind die Akademiker-Quoten international nicht vergleichbar.

4.2 Es gibt keine Korrelation zwischen Studierberechtigten-Quote und wirtschaftlicher Prosperität. Dort wo man in Europa die niedrigsten Abiturienten-Quoten hat, hat man zugleich die besten Wirtschaftsdaten. Ein wichtiges bildungspolitisches Kriterium wird ebenfalls häufig übersehen, nämlich das Ausmaß an Jugendarbeitslosigkeit. Hier haben oft sogar vermeintliche PISA-„Sieger“ mit Gesamtschulsystemen eine Quote von 20 Prozent und mehr. In Ländern mit gegliederten Schulsystemen und dualer Berufsbildung dagegen sind es deutlich unter zehn Prozent: in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. All dies ist vor allem Verdienst des dualen Systems der beruflichen Bildung.

4.3 Auch die angebliche soziale Durchlässigkeit des Bildungswesens anderer Staaten ist oft ein statistisches Artefakt: Wenn in Finnland die Tochter eines Industriearbeiters Krankenschwester wird, dann gilt sie als Paradebeispiel für die soziale Durchlässigkeit des dortigen Bildungswesens. Wenn in Deutschland die Tochter eines Facharbeiters Krankenschwester wird, gilt sie als angeblich schreckliches Beispiel für die mangelnde soziale Durchlässigkeit unseres Bildungswesens.

  1. Wider die Selbstverleugnung und Selbstvergessenheit in der Bildungspolitik!

Bildungspolitik in Deutschland neigt mittlerweile – in unterschiedlichen Nuancierungen – quer durch alle Parteien dazu, tradierte und weltweit angesehene Bildungsstrukturen unter dem Diktat etwa von EU- oder OECD-Vorgaben über Bord zu werfen. Dies gilt für die Vielgliedrigkeit des allgemeinbildenden Schulwesens, für das hochdifferenzierte Förderschulwesen, für die duale Berufsbildung und für die Hochschulen (siehe „Bologna“). Da es sich dabei stets um weitreichende Strukturveränderungen handelt, droht auf Jahre hinaus eine Destabilisierung des deutschen Bildungswesens.

  1. Conclusio

Ziele, Inhalte und Strukturen eines Bildungswesens müssen einer ständigen Überprüfung unterworfen werden. Reformen und Veränderungen sind aber kein Wert an sich. Vielmehr gilt: Bewährtes ist zu bewahren und behutsam weiterzuentwickeln. Von erfolglosen und – gemessen am Erfolg – zu kostspieligen Strukturen sollte man sich trennen.

Für den Deutschen Lehrerverband (DL) gelten daher als maßgebliche bildungspolitische Grundsätze:

–      Differenzierung geht vor Egalisierung.

–      Leistungsorientierung geht vor Gefälligkeitspädagogik.

–      Qualität geht vor Quote.

Oktober 2012 – Präsidium Deutscher Lehrerverband