Offener Brief an Kultusministerkonferenz

Deutscher Lehrerverband fordert deutsche Beteiligung an TALIS-Studie

  • DL-Präsident Stefan Düll: „Rahmenbedingungen der Lehrkräfte bisher nur lückenhaft untersucht“
  • TALIS-Studie untersucht zahlreiche Aspekte des Arbeitslebens in der Schule in allen relevanten OECD-Staaten
  • Nächste TALIS-Veröffentlichung für 2025 geplant

Berlin, September 2023 – Der Deutsche Lehrerverband (DL) spricht sich für eine Teilnahme Deutschlands an der kommenden TALIS-Studie (Teaching and Learning International Survey) der OECD aus. Dies fordert der Verband in einem offenen Brief an die Kultusministerkonferenz (KMK).

In der TALIS-Studie werden in zahlreichen OECD-Ländern Lehrkräfte über ihr Arbeitsleben in der Schule befragt. Die Erhebung untersucht viele Aspekte, angefangen beim schulischen Umfeld und der Art und Weise, wie Lehrkräfte untereinander Feedback geben bis hin zu ihren Unterrichtsmethoden und ihrer Teilnahme an kontinuierlicher beruflicher Weiterbildung. Deutschland hat sich bisher lediglich an der TALIS-Starting-Strong-Studie beteiligt, die wichtige internationale Vergleichsdaten zu den Rahmenbedingungen des Beschäftigungsfeldes und pädagogischen Praktiken im Kita-Alltag liefert.

An der jüngsten TALIS-Studie aus dem Jahr 2018 beteiligten sich zahlreiche OECD-Staaten, darunter Australien, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Österreich, Schweden, Spanien, Südkorea und die USA.

Der Fokus der Erhebung liegt international auf Schulen mit ISCED (International Standard Classification of Education) Level 2. ISCED Level 2 entspricht in Deutschland der Sekundarstufe I. Diese umfasst in Deutschland die Klassen 5 bis 8 für Schülerinnen und Schüler an Sekundar-, Gesamt-, Real- und Hauptschulen und Gymnasien.

Die Daten der Studie können aber auch wichtige Erkenntnisse für das Arbeitsumfeld aller Lehrkräfte bieten, also auch den Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Primarstufe und der Sekundarstufe II zugutekommen. Zudem haben teilnehmende Länder auch die Möglichkeit, den Untersuchungsbereich in andere Schulbereiche auszudehnen.

Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes:

„Das Arbeitsumfeld der Lehrkräfte in Deutschland wird bisher nur lückenhaft untersucht. Dabei könnten international vergleichbare Daten helfen, hier zielgerichtet und effektiv Verbesserungen vorzunehmen. In einem attraktiven Arbeitsumfeld liegt ein Schlüssel zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels. Wir appellieren daher an die Kultusministerkonferenz, die Teilnahme Deutschlands an der kommenden TALIS-Studie zu initiieren und die notwendigen Ressourcen dafür bereitzustellen.“

Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands DPhV:

„In der Vergangenheit sind viele Anstrengungen unternommen worden, die Leistungsentwicklung unseres Schulsystems für Schülerinnen und Schüler zu messen. Für Lehrkräfte war dies bisher leider kaum der Fall. Die TALIS-Studie bietet eine gute Möglichkeit, um den Ist-Zustand unseres Bildungssystems zu analysieren, bewährte Praktiken zu identifizieren und gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Lehrkräfte abzuleiten.“

Dirk Meußer, amtierender Vorsitzender (kommissarisch) des Verbands Deutscher Realschullehrer VDR:

„Die Daten, die über eine Untersuchung wie TALIS gewonnen werden können, sind wichtig, um die Ausbildung der zukünftigen Lehrkräfte zu gestalten und die Fortbildung der Lehrkräfte zielgerichtet anzubieten und auszubauen. In jedem Bundesland gibt es zudem aktuell anders gestaltete Qualifizierungsangebote, um Lehrkräfte für den Quereinstieg in den Schuldienst auszubilden – TALIS könnte Daten liefern, was gerade diese Kolleginnen und Kollegen brauchen und auf welche Qualifizierung sich die Länder beim Quereinstieg einigen sollten.“

Pankraz Männlein und Dr. Sven Mohr, Vorsitzende des Bundesverbands der Lehrkräfte für Berufsbildung BvLB:

„Die beruflichen Schulen kämpfen bereits deutlich länger mit dem Problem des Lehrkräftemangels. Dadurch haben sich dort aber auch schon neue Ideen und Strukturen herausgebildet, um Lehrkräfte im beruflichen Bildungssystem zu halten und neue Lehrkräfte durch Studium und Quereinstieg zu gewinnen. Der BvLB fordert daher, auch den Bereich der beruflichen Bildung mit seiner breiten Palette von Bildungsangeboten und Schulformen zukünftig in die TALIS-Untersuchung mit einzubeziehen.“

Gerlinde Kohl, Bundesvorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft Deutschlands KEG:

„Wie schon im Kita-Bereich und im Bereich der Leistungen von Schülerinnen und Schülern brauchen wir Daten, die das Arbeitsumfeld von Lehrkräften in allen Schulbereichen bewerten und international vergleichen. Die Teilnahme an TALIS für den Bereich der Sekundarstufe I sollte nur der erste Schritt sein, damit wir in zukünftigen Untersuchungen Erkenntnisse darüber gewinnen, was alle Lehrkräfte an ihren Arbeitsplätzen brauchen und welche spezifischen Anliegen Lehrkräfte unterschiedlicher Schularten haben.“

Der Offene Brief ist unter diesem Link abrufbar bzw. hier als PDF zum Download Offener_Brief_TALIS verfügbar.

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Für Stellungnahmen erreichen Sie DL-Präsident Stefan Düll über presse@lehrerverband.de bzw. unter 0151 – 10 92 68 48.

Für den Inhalt verantwortlich: Geschäftsstelle Deutscher Lehrerverband – Anne Schirrmacher

Offener Brief an Kultusministerkonferenz

Bitte um Beteiligung Deutschlands an der TALIS-Studie

Sehr geehrte Frau Präsidentin der Kultusministerkonferenz, liebe Frau Günther-Wünsch, sehr geehrte Vizepräsidentinnen, liebe Frau Streichert-Clivot, liebe Frau Prien,

wir möchten Ihre Aufmerksamkeit heute auf ein wichtiges Anliegen lenken, das von Bedeutung für die Weiterentwicklung unseres Bildungswesens ist. Wir bitten Sie zu initiieren, dass auch Deutschland an der kommenden TALIS-Studie (Teaching and Learning International Survey) der OECD teilnimmt. Deren Durchführung ist für 2024, die Veröffentlichung für 2025 geplant.

Da Sie in der Vergangenheit viele Anstrengungen unternommen haben, die Leistungsentwicklung unseres Schulsystems für Schülerinnen und Schüler zu messen (PISA), erwarten wir, dass auch das Arbeitsumfeld der Lehrkräfte als ein wichtiger Faktor für die Unterstützung des Bildungserfolgs, des professionellen Handelns für Lehrkräfte international vergleichbar begutachtet wird.

Denn es sind doch Lehrkräfte, die wesentlich zum Bildungserfolg der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen beitragen. Aus unserer Perspektive müssen die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte, vielfach auch die Rahmenbedingungen unter denen Unterricht in Deutschland stattfindet, kontinuierlich verbessert werden.

Für eine vergleichende Orientierung halten wir das Erheben von international vergleichbaren Daten zu diesem Thema für bedeutsam. Wir weisen darauf hin, dass Deutschland bereits im Bereich der frühkindlichen Bildung an der TALIS-Starting-Strong-Studie teilnimmt, die wichtige internationale Vergleichsdaten zu den Rahmenbedingungen des Beschäftigungsfeldes und pädagogischen Praktiken im Kita-Alltag liefert.

Wir unterstützen dies und weisen darauf hin, dass auch für die Bereiche allgemeinbildender und berufsbildender Schulen mit gleicher Sorgfalt agiert werden sollte. Nach unserer Kenntnis ist eine Teilnahme an der TALIS-Studie (oder einer vergleichbaren OECD-Studie) zu den Arbeitsbedingungen von Lehrpersonen an Schulen derzeit von Ihnen nicht geplant.

Informationen zu Arbeitsbedingungen, Unterrichtspraktiken, Lehr-Lern-Umgebungen und Formen der Zusammenarbeit sind für eine Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildung der zukünftigen Lehrkräfte und auch für die Verankerung einer entsprechenden Personalentwicklung an den Schulen bedeutsam. Die TALIS-Studie bietet eine gute Möglichkeit, um den Ist-Zustand unseres Bildungssystems zu den oben genannten Themen zu analysieren, bewährte Praktiken zu identifizieren und gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Lehrkräfte abzuleiten.

TALIS konzentriert sich aktuell auf die Sekundarstufe I: Die Teilnahme Deutschlands an der Studie für diese Schulstufe ist ein erster wichtiger Schritt. Langfristig fordern wir auch eine Untersuchung der Situation der Lehrkräfte an allen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulformen für alle Altersstufen.

Gerade in Hinsicht auf den wachsenden Lehrkräftemangel in Deutschland ist es wichtig, das Arbeitsumfeld der Lehrkräfte zu analysieren und zu verbessern, um den Arbeitsort Schule für junge Menschen attraktiv zu machen. 

Wir appellieren daher an Sie, die Teilnahme Deutschlands an der kommenden TALIS-Studie zu initiieren und die notwendigen Ressourcen dafür bereitzustellen, zumal dies relevante Industriestaaten wie USA, Japan, Frankreich, Großbritannien oder Spanien auch tun.

Eine solche Beteiligung für die Analyse des Arbeitsumfeldes der Lehrkräfte ist ein wichtiger Schritt, auch die pädagogische Qualität, die Leistungsfähigkeit und den Erfolg unserer Schülerinnen und Schüler im Unterricht zu steigern.

Mit der Bitte um Prüfung unseres Anliegens verbleiben wir mit freundlichen Grüßen,

Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands DL

Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands DPhV

Dirk Meußer, amtierender Vorsitzender (kommissarisch) des Verbands Deutscher Realschullehrer VDR

Pankraz Männlein und Dr. Sven Mohr, Vorsitzende des Bundesverbands der Lehrkräfte für Berufsbildung BvLB

Gerlinde Kohl, Bundesvorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft Deutschlands KEG