Der Deutsche Lehrerverband sieht in dem derzeit beobachtbaren massiven Lehrkräftemangel insbesondere an Grund- und Förderschulen, aber auch im beruflichen Schulwesen eine schwerwiegende langfristige Bedrohung der Bildungsqualität in Deutschland und damit eine Gefährdung der Zukunftschancen unserer Kinder und Jugendlichen sowie der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes. Besonders besorgt ist das Präsidium des DL über die extrem hohe Quote an Quereinsteigern bei Neueinstellungen ohne ausreichende pädagogische Nachqualifizierung. Dort, wo für Quer- und Seiteneinsteiger benötigt werden, um die quantitativen Defizite in der Lehrkräfteausbildung der vergangenen Jahre auszugleichen, muss sichergestellt sein, dass Quer- und Seiteneinsteiger analog zur grundständigen Lehramtsausbildung nachqualifiziert werden, um die Unterrichtsqualität zu gewährleisten.
Um das Problem des Lehrkräftemangels mittel- und langfristig zu lösen, sieht der DL folgenden Handlungsbedarf:
- Die grundsätzliche Verbesserung der Rahmenbedingungen in Bezug auf die Tätigkeit von Lehrkräften, insbesondere eine deutliche Verringerung von Unterrichtsdeputaten, kleinere Klassen, eine personell massiv aufgestockte Unterrichtsreserve zur Vermeidung von permanenter Mehrarbeit, mehr Freiräume für pädagogische Tätigkeiten und individuelle Förderung, einen deutlichen Ausbau des Unterstützungspersonals an Schulen (Sozialarbeiter, Schulpsychologen, Schulkrankenschwestern) sowie eine präventive Gesundheitsfürsorge des Staates, die diesen Namen auch verdient. Es darf nicht weiter hingenommen werden, dass Lehrkräfte in Deutschland im internationalen Vergleich mit die höchste Gesamtarbeitsbelastung haben.
- Eine höhere Wertschätzung des Lehrerberufs durch Politik, Medien und Gesellschaft, die sich nicht nur in Worten, sondern auch in Taten ausdrückt. Lehrkräfte brauchen bei ihrer anspruchsvollen und schwierigen Aufgabe eine umfassende Rückendeckung durch alle gesellschaftlich relevanten Gruppen. Die einseitigen Schuldzuweisungen an die Schulen und Lehrkräfte bei gesellschaftlichen Problemen und Missständen müssen aufhören.
- Eine höhere Attraktivität des Lehrerberufs durch eine bessere Bezahlung der Studienreferendare sowie insbesondere durch deutlich erweiterte Aufstiegschancen für Lehrkräfte an allen Schularten. Vor allem im Primarbereich ist das Eingangsamt oft auch die Besoldungsstufe, in der man pensioniert wird. Der DL hält fest an einer differenzierten Einstufung nach Dauer und Anspruchsniveau der Ausbildung sowie nach Tätigkeitsprofil. Er fordert aber für alle Lehrämter eine Regelbeförderung und weitere funktionsgebundene Aufstiegsmöglichkeiten für besonders qualifizierte Kolleginnen und Kollegen.
- Lehrkräfte in Deutschland sowohl im Primar- als auch im Sekundarschulbereich haben im internationalen Vergleich zwar eine relativ gute Eingangsbesoldung, aber danach kaum berufliche Aufstiegschancen. Damit ist der Lehrerberuf im Vergleich zur Wirtschaft nur eingeschränkt konkurrenzfähig.
- Um hinkünftig eine gleichmäßigere Deckung des Lehrkräftebedarfs und ein Ende der „Schweinezyklen“ bei der Lehrkräfteeinstellung zu vermeiden, fordert der DL in Zeiten des Bewerberüberhangs qualifizierte Lehramtsbewerber auch über Bedarf einzustellen, um in Mangelzeiten nicht wieder auf pädagogisch nicht qualifizierte Quereinsteiger zurückgreifen zu müssen. Dieser rechnerische „Lehrkräfteüberhang“ wird für Maßnahmen der individuellen Förderung und die Zweiteilung von Klassen eingesetzt.
- Zur Verbesserung der Transparenz und der Mobilität beim Lehrkräftearbeitsmarkt ist die Einrichtung einer bundesweiten Lehrkräftestellen-Börse nötig, in die alle Bundesländer ihre offenen Stellen mit Qualifikationsanforderungen, Vergütungsbedingungen, Terminen und Ansprechpartnern einstellen sowie auch Lehramtsbewerber sich registrieren lassen können. Dies ist aus Sicht des DL eine Aufgabe der Kultusministerkonferenz in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit. Damit könnte auch die Mobilität von Lehramtsbewerbern zwischen Bundesländern mit Bewerberüberhang und Bundesländern mit massivem Lehrkräftemangel erhöht werden.
- Die Bereitstellung stets aktueller und nach Fächern und Schularten differenzierten Lehrkräftebedarfsprognosen durch die Schulministerien aller Bundesländer. Dass die KMK mehrere Jahre lang gebraucht hat, um auf den Geburtenanstieg bzw. den erhöhten Zustrom von Flüchtlingskindern in ihren Lehrkräftebedarfsprognosen zu reagieren, ist ein Armutszeugnis.