Tagung zum 50-jährigen Jubiläum des Deutschen Lehrerverbandes

Von interessanten, teilweise kontroversen Debatten um die großen Zukunftsheraus­forderungen des Deutschen Bildungssystems war das Symposion anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Deutschen Lehrerverbands geprägt, das in Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung vor vollbesetztem Auditorium in Berlin stattfand.

Im Mittelpunkt der Tagung standen die Themen Zukunft des Bildungsföderalismus, Bedeutung der Digitalisierung für den Bildungsprozess und die sich dadurch verändernde Rolle der Lehrkraft.

Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung, Bundestags­präsident a.D. Prof. Norbert Lammert und den DL-Präsidenten Heinz-Peter Meidinger trafen im ersten Block zur Zukunft des Bildungsföderalismus Vertreter des Bundesbildungs­ministerium und der Kultusministerkonferenz aufeinander.

Der Bildungsföderalismus – Motor oder Bremse zukunftsorientierter Bildungspolitik

Der Staatssekretär im Bundesbildungsministerium Dr. Michael Meister beklagte, dass sich die Bildungssysteme der 16 Länder auseinanderentwickelt hätten. Einige Disparitäten hätten eine Qualität erreicht, die grundsätzliche Fragen der Chancengerechtigkeit berührten. Ganz konkret übte er Kritik an der fehlenden Vergleichbarkeit des Abiturs und am Einstimmigkeits­prinzip in der Kultusministerkonferenz: „In punkto Vergleichbarkeit ist abgesehen vom Abituraufgabenpool noch nicht viel Substantielles passiert. Einstimmigkeit ist oftmals nur mit sehr langem Vorlauf zu erreichen. Und selbst bei einstimmigen KMK-Beschlüssen erfolgt nicht selten am Ende nur eine Teil-Umsetzung. Das verschenkt wertvolles Potenzial unseres Bildungssystems!“ Er appellierte abschließend an die Länder, Föderalismus nicht als einen Antagonismus zum Bund zu verstehen, sondern als einen Auftrag und eine Verpflichtung, ihre Aufgaben in Bildung und Wissenschaft mit mindestens derselben Priorität wie der Bund wahrzunehmen.

Der KMK-Präsident und hessische Kultusminister Prof. Dr. Alexander Lorz dagegen stellte sieben grundsätzliche Thesen für die Notwendigkeit des Bildungsföderalismus in den Raum: Nur dieser könne regionale Eigenheiten und Verhältnisse vor Ort berücksichtigen, eine nicht durch zu viele Ebenen entfernte Partizipation von Eltern und Schülern ermöglichen, Vielfalt von Schulformen gewährleisten, durch Wettbewerb mehr Qualität herausfordern, Raum für Innovation und Experimente bieten sowie die Möglichkeit, voneinander und aus Fehlern zu lernen. Zudem sei der Bildungsföderalismus ein wertvoller Schutz davor, dass schlechte Reformen gleich in ganz Deutschland umgesetzt würden.

In einem Podiumsgespräch suchten die nordrhein-westfälische Schulministerin Yvonne Gebauer und die Bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Margit Stumpp, gemeinsam mit Kultusminister Lorz Antworten auf die Fragen, die der Bildungsföderalismus in den Bereichen Vergleichbarkeit und Finanzierung aufwirft. Gebauer betonte, dass es bei allen Debatten über den Bildungsföderalismus keinen konstruktiven Vorschlag für eine Alternative gebe und dass der Bildungsföderalismus Wettbewerb und voneinander Lernen der Bundesländer ermögliche. Stumpp sah in den Problemen des Bildungsföderalismus in erster Linie ein Umsetzungsdefizit, kein Erkenntnisdefizit und kritisierte das so genannte „Kooperationsverbot“ zur Finanzierung durch den Bund. Lorz wies auf zukünftige langfristige Möglichkeiten durch einen konkreten Bildungsstaatsvertrag hin. Moderiert wurde dieses Podiumsgespräch, wie auch der Großteil der Tagung, vom Bildungsjournalisten Martin Spiewak.

Lehrerrolle zwischen Überforderung und Entprofessionalisierung

Der langjährige Präsident und heute Ehrenpräsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, debattierte mit Prof. Dr. Tanjev Schultz (Lehrstuhl für Journalistik an der Universität Mainz) über die sich verändernde Rolle der Lehrkräfte in der Schule – „Vom Pauker zum Lernbegleiter?“ lautete die Fragestellung. Moderiert wurde dieses Gespräch von Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes DPhV. Kraus kritisierte, dass der Beruf der Lehrkräfte immer weiter entprofessionalisiert werde, indem immer mehr Erwartungen und Forderungen, an ihn herangetragen würde. Er forderte eine Rückbesinnung auf das Kerngeschäft Unterricht und die fachlichen Kompetenzen des Lehrkräfteberufs. Tanjev Schultz plädierte eher für eine Erweiterung der Aufgaben von Lehrkräften in einer Zeit, da Eltern als Erziehende oft ausfallen. Einig war man sich, dass bei der Gewinnung neuer Lehrkräfte intensive Beratung notwendig ist, um die sowohl fachlich wie pädagogisch geeigneten Lehrkräfte zu gewinnen.

Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing betonte in diesem Zusammenhang: „Damit Lehrkräfte guten Unterricht halten können, brauchen sie Entlastung und bessere Arbeitsbedingungen. Seit dem zweiten Weltkrieg ist die Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte nirgendwo gesenkt, sondern eher noch erhöht worden. Das Aufgabenspektrum ist aber breiter und belastender geworden. Lehrkräfte brauchen spürbare Entlastung, mehr Ermäßigungsstunden für zusätzliche Aufgaben und eine geringere Unterrichtsverpflichtung!“

Macht die Digitalisierung Schule und Lehrkräfte überflüssig?

In einer sehr lebendigen Diskussion über die Folgen die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Schule stellten der bekannte Youtuber Daniel Jung, der Gründer von Lehrermarktplatz.de Max Maendler, Adriane Langela-Bickenbach, Preisträgerin des Deutschen Lehrerpreises, und die DL-Vizepräsidenten Joachim Maiß und Jürgen Böhm ihre Thesen dazu vor. Einig war man sich, dass die Lehrkraft als wesentliches Medium der Vermittlung von Wissen und Werten in einer von Digitalisierung geprägten Gesellschaft und Schule weiterhin eine zentrale Rolle einnehmen wird.

Schon in seiner Begrüßung hatte der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, angesichts zunehmender Diskussionen über Digitalisierung und Künstliche Intelligenz im Bildungssystem darauf hingewiesen, dass bei allem technischen Fortschritt der Bildungsprozess nicht entmenschlicht werden dürfe – Lernen sei auch ein Gemeinschafts­prozess, der nicht nur vereinzelt vor dem Bildschirm stattfinden solle.

Zum Abschluss des Symposions warfen Prof. Gert de Haan von der FU Berlin und Jasson Jakovides vom Fields Institute einen Blick 50 Jahre voraus, wohin sich die Rollen von Lehrkräften und Schule in dieser Gesellschaft entwickeln könnten.

Der Deutscher Lehrerverband als starker Anwalt eines leistungsfähigen, gerechten Bildungswesens

Am Vorabend des Symposions fand eine Festveranstaltung zum 50-jährigen Bestehen des Deutschen Lehrerverbands statt, auf der auch die Festschrift präsentiert wurde und der langjährige DL-Präsident Josef Kraus einen Rückblick auf die wichtigsten Erfolge und Ereignisse der DL-Geschichte gab.

Vizepräsident Jürgen Böhm vom VDR hob im Kontext der Jubiläumsveranstaltungen hervor, dass der Deutsche Lehrerverband immer als Klammer und Garant gewirkt habe für den Einsatz der Mitgliedsverbände um ein leistungsstarkes, zukunftsorientiertes differenziertes Schulwesen.

Vizepräsident Joachim Maiß vom BvLB würdigte den DL als erste Adresse für Bildungsfragen, der auch nie die berufliche Bildung zugunsten der allgemeinen Bildung vernachlässigt habe. Erst die berufliche Bildung im Gleichklang mit der allgemeinen Bildung stelle die Gleichwertigkeit der Bildungswege sicher.

Nach dem Eindruck von Vizepräsident Bernd-Uwe Althaus von der KEG zeigt die Tagung zum 50-jährigen Jubiläum eindrucksvoll, dass der DL seine Positionen immer wieder an den Herausforderungen der Zeit weiterentwickelt und sich auf dem Wertespektrum seiner Mitgliedsverbände und der gemeinsamen Ziele ausrichtet.

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Für Stellungnahmen erreichen Sie DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger unter 0160 – 52 75 608.

Für den Inhalt verantwortlich: Geschäftsstelle Deutscher Lehrerverband – Anne Schirrmacher

Fachtagung anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Deutschen Lehrerverbands in Berlin am 11. November 2019

Anlässlich seines 50-jährigen Bestehens veranstaltet der Deutsche Lehrerverband in Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung am Montag, 11.11.2019, die Fachtagung „1969 – 2019 – 2069: Schule im Wandel“ in Berlin.

Nicht nur der Blick zurück, sondern auch der Blick nach vorne wird im Mittelpunkt der Jubiläumstagung stehen, die von Bundestagspräsident a. D. Prof. Dr. Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, eröffnet wird. Mehrere Kultusminister, darunter KMK-Präsident Alexander Lorz, Vertreter des Bundesbildungsministeriums sowie Wissen­schaftler und Verbandsvertreter werden mit Vorträgen und an Podiumsgesprächen teil­nehmen. Einige der großen Herausforderungen im Bereich der Bildung werden dabei im Mittelpunkt stehen: Die Zukunft des Bildungsföderalismus, die Digitalisierung im Schulwesen und die sich verändernde Rolle der Lehrkraft im Bildungsprozess.

Den genauen Ablauf finden Sie im beiliegenden Programm bzw. unter www.lehrerverband.de/veranstaltungen/. Kurzfristige Anmeldungen sind noch bis Donnerstag, 07.11.2019, unter info@lehrerverband.de möglich.

Seit 50 Jahren steht der Dachverband Deutscher Lehrerverband für gemeinsame bildungs- und berufspolitische Ziele seiner Mitgliedsverbände mit insgesamt 165.000 Mitgliedern. Seine Kompetenz. Erfahrung und Sachkunde in allen bildungspolitischen Fragen bezieht er von seinen Mitgliedsverbänden aus den unterschiedlichen Bereichen des allgemein- und berufsbildenden Schulsystems. Mitglieder im Deutschen Lehrerverband sind der Deutsche Philologenverband DPhV, der Verband Deutscher Realschullehrer VDR, der Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung BvLB und die Katholische Erziehergemeinschaft Deutschland KEG.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, weist bereits im Vorfeld der Jubiläumstagung darauf hin, dass die gemeinsamen Ziele und Grund­überzeugungen der damaligen Gründungsverbände nach wie vor ein stabiles Fundament der Arbeit des deutschen Lehrerverbands bildeten: „Der Deutsche Lehrerverband tritt seit seiner Gründung konstant für ein leistungs- und begabungsorientiertes differenziertes Schulwesen ein. Im Fokus steht dabei immer die Orientierung an der bestmöglichen Förderung unserer Kinder und Jugendlichen an den allgemein- und berufsbildenden Schulen in Deutschland. Zu den Grundüberzeugungen des Deutschen Lehrerverbandes gehört der Glaube an die Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung: Das duale Ausbildungssystem ist eine große Stärke des deutschen Bildungssystems, das nicht geschwächt und ausgehöhlt werden darf.“ Mit Sorge betrachtet deshalb der Deutsche Lehrerverband Tendenzen in der Bildungspolitik, Entscheidungen in erster Linie an der Erreichung von Abiturquoten auszurichten. Dies habe – so Meidinger – zu einer Besorgnis erregenden Schieflage im deutschen Bildungssystem geführt.

Auch den zukünftigen Herausforderungen im Bildungsbereich wird sich der Deutsche Lehrerverband mit seinen Mitgliedsverbänden stellen. DL-Präsident Meidinger führt aus: „Dabei geht es um mehr Vergleichbarkeit und mehr echten Wettbewerb zwischen den Bundesländern, die Qualitätssicherung schulischer Abschlüsse, die erfolgreiche schulische Integration von Kindern mit Migrationshintergrund, einen Inklusionsprozess, der nicht von Ideologie, sondern von der Verantwortung gegenüber allen Beteiligten getragen wird, und eine Digitalisierung im Bildungsbereich, die nicht Selbstzweck ist, sondern sich der Pädagogik unterordnet. Auch in den kommenden Jahrzehnten wird der Deutsche Lehrerverband eine starke Stimme für bestmögliche Bildung sein, damit Kinder und Jugendliche sich persönlich entwickeln und entfalten können, um als mündige Staatsbürger Verantwortung für sich und unseren Staat und unsere Gesellschaft zu übernehmen.“