Respektlosigkeit in der Gesellschaft – Auswirkungen in den Schulen

Foto Stefan Düll: Andreas Gebert, Screenshot Überschrift BILD.de vom untenstehenden Link

Auf Anfrage der Bild am Sonntag hatte sich DL-Präsident Stefan Düll bereits im November zur Problematik von Respektlosigkeit und allgemeiner Verrohung der Gesellschaft und zu den Auswirkungen auf den Schulbereich geäußert – Aussagen, die im Zusammenhang mit den Vorkommnissen zu Silvester eine besondere Aktualität haben.

Stefan Düll trifft folgende ausführliche Einschätzungen:

„Insgesamt gibt es gesellschaftlich – in den sogenannten sozialen Medien, in den Kommentarspalten der Online-Medien, im Straßenverkehr, im Diskurs öffentlicher Personen z.B. in Talkshows, Comedy-Formaten oder in sogenannten Reality-TV-Formaten – eine Tendenz zu Gereiztheit, Unhöflichkeit, Pöbelei, Fäkalsprache und teilweise auch zu Beschimpfung und Eskalation zu körperlicher Gewalt. Der Missbrauch digitaler Plattformen für Hass, Hetze, Mobbing, Sexting trägt zu einem Klima der Aggression bei. Dadurch nehmen auch manche Kinder und Jugendliche Gewalt als Strategie wahr und wenden sie an.

Bei der Gewalt – verbal und psychisch – gegenüber Lehrkräften spielt ein Respektverlust gegenüber Autoritätspersonen eine Rolle, wie wir ihn auch gegenüber Personal von Rettungsdiensten oder gegenüber der Polizei sehen. Im gesellschaftlichen Diskurs nehmen wir eine Zunahme der Respektlosigkeit gegenüber dem Berufsstand der Lehrkräfte wahr, jeder glaubt, die Situation an den Schulen und im Unterricht durch die Erfahrung aus der eigenen Schulzeit einschätzen zu können, aber – wie wir beim aktuellen Lehrkräftemangel sehen – immer weniger wollen die Arbeit machen. Respektlose Äußerungen einiger Politiker gegenüber Lehrkräften waren dabei nicht hilfreich.

Zudem haben wir in den Schulen junge Menschen, die von klein auf Misserfolge erleben, deswegen frustriert sind und diesen Frust in Form von Gewalt rauslassen. Wir haben auch Schülerinnen und Schüler mit Fluchterfahrungen, die Gewalt erleben mussten und aus einer Situation des Überlebenskampfes kommen. Das hat bei einzelnen von ihnen zur Wahrnehmung von Gewalt als Strategie geführt. Wir bekommen Berichte über Respektlosigkeit gegenüber Lehrkräften, insbesondere Lehrerinnen, aber nicht nur, die auf patriarchaler Erziehung mancher junger Menschen mit Migrationshintergrund beruht. Respektlosigkeit und Gewalt gegenüber Lehrkräften, auch aus misogynen Gründen, kommen allerdings in allen gesellschaftlichen Gruppen vor. 

Ein zusätzlicher Grund für den Anstieg in Umfragen und Statistiken ist, dass allgemein ein höheres Bewusstsein in der Gesellschaft für Grenzüberschreitungen vorhanden ist, darüber mehr gesprochen wird und Gewaltvorfälle häufiger gemeldet werden. Es werden mehr statistische Daten zu Gewalt in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft systematischer erfasst, so auch im Schulbereich. Unterschiede zwischen Bundesländern können teilweise auch auf unterschiedliche Richtlinien zurückgehen, welche Art von Vorfällen auf welche Weise differenziert gemeldet und statistisch ausgewertet werden. 

Die oben beschriebene gesellschaftliche Verrohung zeigt sich auch bei einem Teil der Eltern, nicht aber bei der Mehrheit. Manche Eltern sehen nicht, dass Schule und Eltern eine Erziehungspartnerschaft eingehen müssen – sie werfen der Schule sehr schnell unpädagogisches Verhalten, Versagen oder Unfähigkeit vor oder fehlendes Einfühlungsvermögen. Selbst bei erheblichen Disziplinarverstößen ihrer Kinder sehen sie jede erzieherische Reaktion der Schule und der Lehrkräfte als unverhältnismäßig an. Bei dieser Minderheit der Eltern kommt es auch zu Beschimpfungen von Lehrkräften und im Ausnahmefall zu körperlicher Gewalt.“

Teile der Aussagen wurden in der Bild am Sonntag vom 05.01.2025 zitiert: https://m.bild.de/news/inland/gewalt-statt-respekt-die-enthemmte-gesellschaft-673df07bb1787a186e12e9fd.

Deutscher Lehrerverband: Wir brauchen eine gesellschaftliche Initiative und eine pädagogische Offensive gegen Cybermobbing

Die heute veröffentliche Studie zum Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen weist nach Ansicht des Deutschen Lehrerverbands auf dringenden politischen und pädagogischen Handlungsbedarf hin. Die Studie „Cyberlife III“ wurde vom Bündnis gegen Cybermobbing in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse vorgestellt.

DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger betonte, dass sich die in der Studie aufgezeigte Verschärfung des Problems insbesondere bei Kindern zwischen 13 und 17 Jahren auch mit den Beobachtungen und Erfahrungen von Lehrkräften deckt. Es gebe inzwischen wohl keine Schule in Deutschland, die nicht mit entsprechenden Problemen zu kämpfen habe.

Der Verbandschef betonte: „In den sozialen Netzwerken und den zahllosen Klassen-WhatsApp-Gruppen findet tagtäglich tausendfach Mobbing statt, meistens von Mitschülern – leider in den meisten Fällen ohne Kenntnis der Eltern und Lehrkräfte. Vielfach erfahren diese erst davon, wenn der Leidensdruck der Kinder zu groß geworden ist oder über Dritte Informationen an die Schulen weitergegeben werden.“

Meidinger forderte eine höhere Aufmerksamkeit für diese besorgniserregende Entwicklung und eine gesellschaftliche Offensive gegen Cybermobbing. Viele Kinder und Jugendlichen betrachteten leider immer noch soziale Netzwerke als rechtsfreien Raum und hätten wenig Gespür für die möglichen schlimmen Folgen von Cybermobbing für die Betroffenen.

Der DL setzt bei dieser Offensive auf mehr Präventionsarbeit an Schulen durch entsprechend qualifizierte und mit zusätzlichen Zeitressourcen versehene Beratungslehrkräfte sowie externe Experten, aber auch auf konsequentes Einschreiten und klare Sanktionen gegenüber den Tätergruppen. Eine wichtige Rolle kommt nach Meidinger dabei den Eltern zu, die mit ihren Kindern den ständigen Austausch über deren Aktivitäten und Erfahrungen im Internet suchen sollten. Der Verbandsvorsitzende unterstrich abschließend: „Wir würden es auf jeden Fall begrüßen, wenn bei der Bekämpfung von Cybermobbing zusätzliche Unterstützungsangebote der Ministerien und Schulbehörden bereitgestellt werden. Zudem ist eine klare gesetzliche Regelung des Straftatbestands Cybermobbing wünschenswert, auch wenn es an den Schulen zunächst einmal um pädagogische Lösungen gehen wird!“

Die Studie des Bündnis gegen Cybermobbing und der Techniker Krankenkasse ist unter https://www.tk.de/presse/themen/praevention/medienkompetenz/studie-cybermobbing-2095156 abrufbar.

—————-

Für Stellungnahmen erreichen Sie DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger unter 0160 – 52 75 608.

Für den Inhalt verantwortlich: Geschäftsstelle Deutscher Lehrerverband – Anne Schirrmacher