Offener Brief an Kultusministerkonferenz

Deutscher Lehrerverband fordert deutsche Beteiligung an TALIS-Studie

  • DL-Präsident Stefan Düll: „Rahmenbedingungen der Lehrkräfte bisher nur lückenhaft untersucht“
  • TALIS-Studie untersucht zahlreiche Aspekte des Arbeitslebens in der Schule in allen relevanten OECD-Staaten
  • Nächste TALIS-Veröffentlichung für 2025 geplant

Berlin, September 2023 – Der Deutsche Lehrerverband (DL) spricht sich für eine Teilnahme Deutschlands an der kommenden TALIS-Studie (Teaching and Learning International Survey) der OECD aus. Dies fordert der Verband in einem offenen Brief an die Kultusministerkonferenz (KMK).

In der TALIS-Studie werden in zahlreichen OECD-Ländern Lehrkräfte über ihr Arbeitsleben in der Schule befragt. Die Erhebung untersucht viele Aspekte, angefangen beim schulischen Umfeld und der Art und Weise, wie Lehrkräfte untereinander Feedback geben bis hin zu ihren Unterrichtsmethoden und ihrer Teilnahme an kontinuierlicher beruflicher Weiterbildung. Deutschland hat sich bisher lediglich an der TALIS-Starting-Strong-Studie beteiligt, die wichtige internationale Vergleichsdaten zu den Rahmenbedingungen des Beschäftigungsfeldes und pädagogischen Praktiken im Kita-Alltag liefert.

An der jüngsten TALIS-Studie aus dem Jahr 2018 beteiligten sich zahlreiche OECD-Staaten, darunter Australien, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Österreich, Schweden, Spanien, Südkorea und die USA.

Der Fokus der Erhebung liegt international auf Schulen mit ISCED (International Standard Classification of Education) Level 2. ISCED Level 2 entspricht in Deutschland der Sekundarstufe I. Diese umfasst in Deutschland die Klassen 5 bis 8 für Schülerinnen und Schüler an Sekundar-, Gesamt-, Real- und Hauptschulen und Gymnasien.

Die Daten der Studie können aber auch wichtige Erkenntnisse für das Arbeitsumfeld aller Lehrkräfte bieten, also auch den Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Primarstufe und der Sekundarstufe II zugutekommen. Zudem haben teilnehmende Länder auch die Möglichkeit, den Untersuchungsbereich in andere Schulbereiche auszudehnen.

Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes:

„Das Arbeitsumfeld der Lehrkräfte in Deutschland wird bisher nur lückenhaft untersucht. Dabei könnten international vergleichbare Daten helfen, hier zielgerichtet und effektiv Verbesserungen vorzunehmen. In einem attraktiven Arbeitsumfeld liegt ein Schlüssel zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels. Wir appellieren daher an die Kultusministerkonferenz, die Teilnahme Deutschlands an der kommenden TALIS-Studie zu initiieren und die notwendigen Ressourcen dafür bereitzustellen.“

Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands DPhV:

„In der Vergangenheit sind viele Anstrengungen unternommen worden, die Leistungsentwicklung unseres Schulsystems für Schülerinnen und Schüler zu messen. Für Lehrkräfte war dies bisher leider kaum der Fall. Die TALIS-Studie bietet eine gute Möglichkeit, um den Ist-Zustand unseres Bildungssystems zu analysieren, bewährte Praktiken zu identifizieren und gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Lehrkräfte abzuleiten.“

Dirk Meußer, amtierender Vorsitzender (kommissarisch) des Verbands Deutscher Realschullehrer VDR:

„Die Daten, die über eine Untersuchung wie TALIS gewonnen werden können, sind wichtig, um die Ausbildung der zukünftigen Lehrkräfte zu gestalten und die Fortbildung der Lehrkräfte zielgerichtet anzubieten und auszubauen. In jedem Bundesland gibt es zudem aktuell anders gestaltete Qualifizierungsangebote, um Lehrkräfte für den Quereinstieg in den Schuldienst auszubilden – TALIS könnte Daten liefern, was gerade diese Kolleginnen und Kollegen brauchen und auf welche Qualifizierung sich die Länder beim Quereinstieg einigen sollten.“

Pankraz Männlein und Dr. Sven Mohr, Vorsitzende des Bundesverbands der Lehrkräfte für Berufsbildung BvLB:

„Die beruflichen Schulen kämpfen bereits deutlich länger mit dem Problem des Lehrkräftemangels. Dadurch haben sich dort aber auch schon neue Ideen und Strukturen herausgebildet, um Lehrkräfte im beruflichen Bildungssystem zu halten und neue Lehrkräfte durch Studium und Quereinstieg zu gewinnen. Der BvLB fordert daher, auch den Bereich der beruflichen Bildung mit seiner breiten Palette von Bildungsangeboten und Schulformen zukünftig in die TALIS-Untersuchung mit einzubeziehen.“

Gerlinde Kohl, Bundesvorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft Deutschlands KEG:

„Wie schon im Kita-Bereich und im Bereich der Leistungen von Schülerinnen und Schülern brauchen wir Daten, die das Arbeitsumfeld von Lehrkräften in allen Schulbereichen bewerten und international vergleichen. Die Teilnahme an TALIS für den Bereich der Sekundarstufe I sollte nur der erste Schritt sein, damit wir in zukünftigen Untersuchungen Erkenntnisse darüber gewinnen, was alle Lehrkräfte an ihren Arbeitsplätzen brauchen und welche spezifischen Anliegen Lehrkräfte unterschiedlicher Schularten haben.“

Der Offene Brief ist unter diesem Link abrufbar bzw. hier als PDF zum Download Offener_Brief_TALIS verfügbar.

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Für Stellungnahmen erreichen Sie DL-Präsident Stefan Düll über presse@lehrerverband.de bzw. unter 0151 – 10 92 68 48.

Für den Inhalt verantwortlich: Geschäftsstelle Deutscher Lehrerverband – Anne Schirrmacher

Offener Brief an Kultusministerkonferenz

Bitte um Beteiligung Deutschlands an der TALIS-Studie

Sehr geehrte Frau Präsidentin der Kultusministerkonferenz, liebe Frau Günther-Wünsch, sehr geehrte Vizepräsidentinnen, liebe Frau Streichert-Clivot, liebe Frau Prien,

wir möchten Ihre Aufmerksamkeit heute auf ein wichtiges Anliegen lenken, das von Bedeutung für die Weiterentwicklung unseres Bildungswesens ist. Wir bitten Sie zu initiieren, dass auch Deutschland an der kommenden TALIS-Studie (Teaching and Learning International Survey) der OECD teilnimmt. Deren Durchführung ist für 2024, die Veröffentlichung für 2025 geplant.

Da Sie in der Vergangenheit viele Anstrengungen unternommen haben, die Leistungsentwicklung unseres Schulsystems für Schülerinnen und Schüler zu messen (PISA), erwarten wir, dass auch das Arbeitsumfeld der Lehrkräfte als ein wichtiger Faktor für die Unterstützung des Bildungserfolgs, des professionellen Handelns für Lehrkräfte international vergleichbar begutachtet wird.

Denn es sind doch Lehrkräfte, die wesentlich zum Bildungserfolg der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen beitragen. Aus unserer Perspektive müssen die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte, vielfach auch die Rahmenbedingungen unter denen Unterricht in Deutschland stattfindet, kontinuierlich verbessert werden.

Für eine vergleichende Orientierung halten wir das Erheben von international vergleichbaren Daten zu diesem Thema für bedeutsam. Wir weisen darauf hin, dass Deutschland bereits im Bereich der frühkindlichen Bildung an der TALIS-Starting-Strong-Studie teilnimmt, die wichtige internationale Vergleichsdaten zu den Rahmenbedingungen des Beschäftigungsfeldes und pädagogischen Praktiken im Kita-Alltag liefert.

Wir unterstützen dies und weisen darauf hin, dass auch für die Bereiche allgemeinbildender und berufsbildender Schulen mit gleicher Sorgfalt agiert werden sollte. Nach unserer Kenntnis ist eine Teilnahme an der TALIS-Studie (oder einer vergleichbaren OECD-Studie) zu den Arbeitsbedingungen von Lehrpersonen an Schulen derzeit von Ihnen nicht geplant.

Informationen zu Arbeitsbedingungen, Unterrichtspraktiken, Lehr-Lern-Umgebungen und Formen der Zusammenarbeit sind für eine Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildung der zukünftigen Lehrkräfte und auch für die Verankerung einer entsprechenden Personalentwicklung an den Schulen bedeutsam. Die TALIS-Studie bietet eine gute Möglichkeit, um den Ist-Zustand unseres Bildungssystems zu den oben genannten Themen zu analysieren, bewährte Praktiken zu identifizieren und gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Lehrkräfte abzuleiten.

TALIS konzentriert sich aktuell auf die Sekundarstufe I: Die Teilnahme Deutschlands an der Studie für diese Schulstufe ist ein erster wichtiger Schritt. Langfristig fordern wir auch eine Untersuchung der Situation der Lehrkräfte an allen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulformen für alle Altersstufen.

Gerade in Hinsicht auf den wachsenden Lehrkräftemangel in Deutschland ist es wichtig, das Arbeitsumfeld der Lehrkräfte zu analysieren und zu verbessern, um den Arbeitsort Schule für junge Menschen attraktiv zu machen. 

Wir appellieren daher an Sie, die Teilnahme Deutschlands an der kommenden TALIS-Studie zu initiieren und die notwendigen Ressourcen dafür bereitzustellen, zumal dies relevante Industriestaaten wie USA, Japan, Frankreich, Großbritannien oder Spanien auch tun.

Eine solche Beteiligung für die Analyse des Arbeitsumfeldes der Lehrkräfte ist ein wichtiger Schritt, auch die pädagogische Qualität, die Leistungsfähigkeit und den Erfolg unserer Schülerinnen und Schüler im Unterricht zu steigern.

Mit der Bitte um Prüfung unseres Anliegens verbleiben wir mit freundlichen Grüßen,

Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands DL

Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands DPhV

Dirk Meußer, amtierender Vorsitzender (kommissarisch) des Verbands Deutscher Realschullehrer VDR

Pankraz Männlein und Dr. Sven Mohr, Vorsitzende des Bundesverbands der Lehrkräfte für Berufsbildung BvLB

Gerlinde Kohl, Bundesvorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft Deutschlands KEG

 

DL-Präsident Düll zur Debatte um Sprachförderung: „Deutsch ist der Schlüssel für den Erfolg in Schule und Beruf“

In der Debatte um die Einführung verpflichtender Sprachstandstests präzisierte DL-Präsident Stefan Düll seine Aussagen wie folgt:

„Deutsch ist der Schlüssel für den Erfolg in Schule und Beruf. Nur durch eine gezielte Sprachförderung kann Kindern mit Defiziten in der Beherrschung des Deutschen als Alltags- und Bildungssprache der Weg ins Leben geebnet werden. Für eine erfolgreiche Integrationspolitik braucht es Sprachstandstests, wie das Beispiel Hamburg zeigt. Im Flächenland Bayern zeigen gerade Kinder in den Städten und Ballungsräumen vielfach einen großen Sprachförderbedarf.

Schon im vorschulischen Bereich der frühkindlichen Erziehung braucht es die erforderlichen Ressourcen und die richtigen Konzepte. Es sind größere Anstrengungen erforderlich, um sicherzustellen, dass Kinder bei der Einschulung in der Lage sind, dem Unterricht auch sprachlich zu folgen. Dazu fordert der Deutsche Lehrerverband verpflichtende vorschulische Sprachstandserhebungen und bei festgestellten Sprachdefiziten eine verpflichtende vorschulische Förderung.

Dabei setzen wir in Erweiterung traditioneller Sprachförderprogramme auf eine alltagsintegrierte Sprachbildung, die durch Impulsförderung den Erwerb eines Grundwortschatzes bestmöglich unterstützt und garantiert. Wesentlich dabei ist auch die Expertise des pädagogischen Personals an den Kindertagesstätten, die mit der Durchführung der Tests und der weiteren Fördermaßnahmen befasst sein werden. Sicherlich benötigen nicht alle Kinder eine zusätzliche Sprachförderung, aber viele und es werden zunehmend mehr.“

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Für Stellungnahmen erreichen Sie DL-Präsident Stefan Düll über presse@lehrerverband.de bzw. über eine Anfrage an die Geschäftsstelle unter 030 / 70 09 47 76.

Für den Inhalt verantwortlich: Geschäftsstelle Deutscher Lehrerverband – Anne Schirrmacher

Veröffentlicht unter Presse

VDR-Bundesvorsitzender Jürgen Böhm wird Staatssekretär in Sachsen-Anhalt

Der Deutsche Lehrerverband gratuliert und dankt seinem Vize-Präsidenten

DL-Präsident Stefan Düll gratuliert VDR-Bundesvorsitzenden und DL-Vize-Präsidenten Jürgen Böhm zu seiner Ernennung zum Staatssekretär im Ministerium für Bildung von Sachsen-Anhalt: „Jürgen Böhm übernimmt eine verantwortungsvolle Aufgabe in schwieriger bildungspolitischer Zeit. Gerade Sachsen-Anhalt leidet schon jetzt in besonderem Maße unter dem Lehrkräftemangel.“

Düll betont: „Jürgen Böhm kennt durch seine Tätigkeit als Lehrer und Schulleiter die Realität in den Schulen – gleichzeitig hat er als langjähriger Verbandsvorsitzender des Bundesverbands VDR und seines Landesverbands brlv auch immer das große Ganze im Blick, beide Perspektiven sind sehr wertvoll für seine zukünftige Aufgaben.“

Düll dankt Böhm für seine engagierte Tätigkeit als Vize-Präsident im Präsidium des Deutschen Lehrerverbands seit 2010: „Jürgen Böhm setzt sich zum einen intensiv für die Belange der Lehrkräfte an Realschulen ein, andererseits bewahrt er den Blick für das große Ganze: Für das vielgliedrige Schulwesen mit seiner schulartspezifischen Lehrerausbildung, die Verbeamtung der Lehrkräfte an allen staatlichen und kommunalen Schulen und die hohe Qualität der Abschlüsse. Unschätzbar sind auch seine Erfahrungen als Leiter einer Schule mit digitalem Schwerpunkt. Ich wünsche Jürgen Böhm für die anstehenden Herausforderungen gutes Gelingen und eine glückliche Hand!“

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Für Stellungnahmen erreichen Sie DL-Präsident Stefan Düll über presse@lehrerverband.de bzw. über eine Anfrage an die Geschäftsstelle unter 030 / 70 09 47 76.

Für den Inhalt verantwortlich: Geschäftsstelle Deutscher Lehrerverband – Anne Schirrmacher

Veröffentlicht unter Presse

Schule ohne Lehrkräfte? Probleme, Lösungsansätze und Zukunftsperspektiven

Unter diesem Titel diskutierten Vertreterinnen und Vertreter des Deutschen Lehrerverbands mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik, der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK sowie der Eltern und Schüler und zahlreichen Lehrkräften und weiteren an der Bildung Beteiligten das aktuelle Problem des Lehrkräftemangels. Moderiert wurde die Veranstaltung vom Bildungsjournalisten Martin Spiewak.

von Anne Schirrmacher

Der Lehrkräftemangel beschäftigt aktuell alle Teile der Gesellschaft – Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und Eltern als direkt Betroffene ebenso, je mehr die Auswirkungen deutlich werden, auch die Wirtschaft, viele Institutionen und Stiftungen, und die Politik. Sehr viele Probleme im Bildungsbereich – Unterrichtsausfall, fehlende Förderungsmöglichkeiten, sinkende Leistungen in Studien – hängen indirekt oder direkt auch mit fehlenden Fachkräften im Lehrkräftebereich zusammen. Während die Lehrkräfteverbände bereits seit Jahren vor dem Mangel warnen oder wie im Bereich der Beruflichen Schulen diesem Mangel bereits seit langem ausgesetzt sind, beginnen die politisch Verantwortlichen dieses Thema erst seit einiger Zeit intensiv in den Blick zu nehmen.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung und der Deutsche Lehrerverband hatten drei Fragen formuliert und entsprechend drei Panels von Expertinnen und Experten zusammengestellt, die diese Fragestellungen gemeinsam diskutierten:

  • Was sind die Ursachen für den Lehrkräftemangel und warum entscheiden sich immer weniger junge Menschen für den Beruf?
  • Wege und Irrwege: Wie sind die aktuellen Gegenmaßnahmen der Bundesländer zu bewerten?
  • Wie kann der Arbeitsort Schule langfristig attraktiver werden?

Der Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung Michael Thielen eröffnete die Tagung und wies auf die Dringlichkeit des Themas hin, da neben den Perspektiven der Bildungsrepublik Deutschland die Bildungs- und damit Lebenschancen junger Menschen akut betroffen sind. DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger beschrieb in seiner Begrüßung den Lehrkräftemangel als die zentrale, größte und alle anderen Themen überlagernde Herausforderung der Schulpolitik in Deutschland – er liege wie eine bleierne Decke über allen anderen Problemen der Schul-und Bildungspolitik, Stundenausfall und Unterrichtskürzungen bedrohten längst nicht nur mehr Zusatzangebote, sondern den gesamten Pflichtunterricht.

In seiner Keynote für das erste Panel zur aktuellen Lage entwarf Andreas Schleicher von der OECD ein Bild des Lehrkräfteberufs, das von Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit geprägt ist – aktuelle zu enge Vorschriften und Regeln führten zu Frustration bei vielen Lehrkräften. Zu den Teilnehmerinnen des Panels zählte Wiebke Maibaum, Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz – als Lehrertochter hat sie einen realistischen Einblick in die Belastungen des Berufs. Zum Zeitpunkt der Tagung war sie zwischen den schriftlichen und mündlichen Abiturprüfungen, entsprechend spielt der Gedanke an die Zukunft eine Rolle: sie habe nicht vor, Lehrerin zu werden – Lehrkräfte müssen aus ihrer Beobachtung heraus zu viel private Zeit investieren und haben zu wenig Spielräume. Isabel Probst, eine ehemalige Gymnasiallehrerin, berät Lehrkräfte, die mit ihrer beruflichen Situation nicht zufrieden sind. Oft geht es zunächst darum, wie an ihrem Platz in der Schule ihr beruflicher Alltag so verändert werden kann, dass wieder mehr Zufriedenheit und Erfüllung entsteht. In vielen Fällen hilft sie als Coach Lehrkräften aber auch, eine Berufsperspektive außerhalb der Schule und des Daseins als Lehrkraft zu entwickeln. Für viele ihrer Klienten tue sich ein pädagogischer Wertekonflikt auf, der sie belaste, neben aller zu erledigender (Verwaltungs-)Arbeit komme die Beziehungsarbeit mit den Schülerinnen und Schülern zu kurz. Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des VDR, kritisierte an den aktuellen angedachten politischen Maßnahmen, dass sie Aspekte des Berufs zerstören, die ihn für die Lebensplanung vieler Lehrkräfte attraktiv gemacht haben, z.B. in Bezug auf Teilzeitmöglichkeiten. Um attraktiv zu sein, brauche der Lehrkräfteberuf auch Karriereentwicklungsmöglichkeiten. Er unterstrich auch die Wichtigkeit der fachlichen Ausbildung, denn Fachlichkeit von hoher Qualität führe auch zu pädagogischer Freiheit.

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK war für viele ihrer Vorschläge in ihrer Stellungnahme zum Lehrkräftemangel zu Beginn dieses Jahres aus vielen verschiedenen Richtungen kritisiert worden. Die Co-Vorsitzende der Kommission, Prof. Dr. Felicitas Thiel, ging in ihrer Keynote sachlich auf viele der Kritikpunkte ein und legte die Gründe für die Empfehlungen der SWK dar. Es sei nicht übertrieben, von einer Bildungskrise zu sprechen: anhand der Schulleistungsstudien werde sichtbar, dass Schülerinnen und Schülern ein Bildungsminimum nicht garantiert werden könne. Um die Chancen einer Generation nicht zu verspielen seien durchaus auch kontroverse Maßnahmen notwendig, insgesamt müssten die Ressourcen, die im System sind, besser verteilt werden. Alle angedachten Notmaßnahmen seien in unterschiedlicher Weise mangelhaft. Prof. Thiel unterstrich auch, dass der Beruf als Lehrkraft nicht zu schwarz gemalt werden dürfe. In der folgenden Gesprächsrunde diskutierte sie mit DPhV-Vorsitzender Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing und Dr. Dorit Stenke, Staatssekretärin im Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein. Prof. Lin-Klitzing wies vor allem auf zwei Aspekte hin: Vorhandene Lehrkräfte müssen auf verschiedenen Ebenen entlastet werden, um sie im System zu halten. Zweitens brauche es einheitliche Standards auf Bundesebene, um die berufsbegleitende Qualifikation von Quereinsteigern sicherzustellen – analog zum grundständigen Lehramtsstudium. Staatssekretärin Stenke berichtete aus der Praxis der Bildungspolitik, wie z.B. für einen Weiterbildungsstudiengang für das Mangelfach Informatik darauf geachtet wurde, nicht Kolleginnen und Kollegen aus den Mangelfächern Mathematik und Physik abzuziehen. Generell müsse man neue Arbeitszeitmodelle denken, Lebensarbeitszeitkonten für Lehrende sei eine Idee, über die in Zukunft geredet werden müsse.  

Mit Spannung erwartet, stand das dritte Panel unter der Frage, welche Maßnahmen nötig sind, um den Arbeitsort Schule attraktiver zu gestalten, so dass auch in Zeiten des demographischen Wandels, in denen insgesamt weniger Fachkräfte in allen beruflichen Bereichen zur Verfügung stehen, sich genügend junge Leute für das Studium auf Lehramt und den Beruf als Lehrkraft entscheiden. Der junge Lehrer Alexander Brand hatte auf einer selbst organisierten Studienreise intensiven Einblick in das Schulsystem von fünf Ländern gewonnen. In seiner Keynote berichtete er von seinen Erfahrungen, vor allem in Singapur. Deutlich wurde, dass sich Ausgestaltungen im Schulwesen in verschiedenen Ländern stark unterscheiden, oft abhängig von der Mentalität und gewachsenen Strukturen. Dabei plädierte Alexander Brand auch in der folgenden Diskussion dafür, nicht einfach Konzepte und Strukturen aus anderen, scheinbar erfolgreicheren Ländern zu übernehmen – sondern zu überlegen, welche Frage/welchen Bedarf diese Strukturen in den jeweiligen Ländern erfüllen, und dann zu überlegen und Konzepte zu entwerfen, wie dieser Bedarf im Einklang mit hiesiger Kultur und Mentalität erfüllt werden kann. Ebenfalls auf dem Panel saß Schulleiterin Silke Müller, die von Gestaltungsfreiheiten im Bereich der niedersächsischen Schulen berichtete. Sie sehe ihre wichtigsten Aufgaben darin, die Schule nach außen zu vertreten, die Qualitätssicherung zu verantworten und ihr Kollegium zu entlasten und Freiräume zu schaffen. Schule sei für sie nach wie vor der beste Ort der Welt, weil die Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeit haben, ihre Schülerinnen und Schüler auf die Zukunft vorzubereiten. Auch DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger forderte, darüber nachzudenken, wie man das Image des Lehrkräfteberufs dadurch verbessern kann, indem mehr Freiräume und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten geboten werden. Befragungen zeigten, dass Lehrkräfte sich vor allem mehr Zeit für ihre eigentliche Aufgabe, das Unterrichten, und für ihre Schülerinnen und Schüler wünschten. Prof. Dr. Susan Seeber, ebenfalls Mitglied der SKW der KMK, die vor allem auch die Beruflichen Schulen in den Fokus rückte: Berufliche Schulen haben systemimmanent bereits jahrzehntelange Erfahrung mit der Ausbildung und Einbindung von Quereinsteigern und bieten außerdem eine große Bandbreite, wie Lehrkräfte sich entwickeln können.

Einige Motive durchzogen trotz unterschiedlicher Fragestellungen alle drei Gesprächsrunden der Tagung: Die Beteiligten waren sich einig, dass die Qualitätsstandards in der Lehrkräfteausbildung trotz des bestehenden Lehrkräftemangels im Interesse der Schülerinnen und Schüler und ihrer Bildung nicht heruntergefahren werden dürfen. Ebenfalls immer wiederkehrende Aspekte waren die Notwendigkeit von Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten an den Schulen – sowie der große Wunsch, dass Lehrkräfte wieder mehr Zeit und Freiräume für das Unterrichten und die pädagogische Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern gewinnen. Vielleicht schwierig umzusetzen in einer Zeit, in der ohnehin schon Lehrkräfte fehlen: aber gleichzeitig eine Notwendigkeit, damit der Lehrkräftemangel nicht noch gravierender wird.

Die Video-Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie hier auf der Seiter der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Kurzbiographie Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands

Oberstudiendirektor 

Geboren 1964 in Mindelheim, verheiratet, zwei Töchter, wohnhaft in Augsburg  

Studium der Fächer Deutsch, Englisch und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien an der LMU München, der George-Washington-University, Washington, D.C., und der Universität Augsburg, Abschluss mit dem Staatsexamen I; Magister Artium in Nordischer Philologie und Germanischer Altertumskunde als Hauptfach; Referendariat mit Staatsexamen II (1994) und Lehrertätigkeit an verschiedenen Gymnasien in Oberbayern und Schwaben 

Ehemals: Stipendiat der Hanns-Seidel-Stiftung und der Fulbright-Kommission 

Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes DPhV, Mitglied im Hauptvorstand des Bayerischen Philologenverbandes bpv, Mitglied im dbb-Bundeshauptvorstand, Mitglied im Hauptausschuss des Bayerischen Beamtenbundes (BBB); Schulleiter und Seminarvorstand am Justus-von-Liebig-Gymnasium Neusäß. 

Weitere Informationen unter:  

https://www.linkedin.com/in/stefan-d%C3%BCll-b84031279  

Bild zur Verwendung mit der Rechteangabe: (c) Andreas Gebert/bpv 

 

Neuwahlen beim Deutschen Lehrerverband

Stefan Düll tritt die Nachfolge von Heinz-Peter Meidinger an

Bei dem alle drei Jahre tagenden Bundeshauptausschuss, dem höchsten Gremium des Deutschen Lehrerverbands, fanden heute Neuwahlen statt. Nach zwei Amtszeiten trat DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger nicht mehr zur Wahl an. Als sein Nachfolger wurde einstimmig Stefan Düll zum zukünftigen Präsident des Deutschen Lehrerverbandes gewählt; er tritt dieses Amt zum 1. Juli 2023 an. Stefan Düll ist stellvertretender Bundesvorsitzender im Deutschen Philologenverband DPhV und leitet seit 2014 das Justus-von-Liebig-Gymnasium in Neusäß.

Der neue Präsident Stefan Düll betonte: „Professionell und schulartspezifisch ausgebildete Lehrkräfte leisten einen unschätzbaren Dienst für die Gesellschaft. Sie dienen Deutschland. Schulen bilden den entscheidenden Kit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Identifikation mit einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Sie bilden jungen Menschen zu emanzipierten Persönlichkeiten heran, die die Zukunft unseres Landes und Europas gestalten und verantworten.“

DL-Schatzmeister Dominik Berdin (BvLB) wurde einstimmig im Amt bestätigt. Der scheidende DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger wurde von der Wahlversammlung zum Ehrenpräsidenten ernannt.

Am Vortag der Delegiertenversammlung fand in Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung eine Fachtagung zum Thema Lehrkräftemangel statt, ein Thema, das aktuell die Debatten in Politik und Gesellschaft bestimmt.

Unter dem Titel „Schule ohne Lehrkräfte? Probleme, Lösungsansätze und Zukunftsperspektiven“ diskutierten Vertreterinnen und Vertreter des Deutschen Lehrerverbands mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik, der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK sowie der Eltern und Schüler und zahlreichen Lehrkräften und weiteren an der Bildung Beteiligten. Moderiert wurde die Veranstaltung vom Bildungsjournalisten Martin Spiewak.

Einig waren sich alle Beteiligten, dass die Qualitätsstandards in der Lehrkräfteausbildung trotz des bestehenden Lehrkräftemangels im Interesse der Schülerinnen und Schüler nicht heruntergefahren werden dürfen.

Der Deutsche Lehrerverband ist der Dachverband der folgenden allgemeinschulischen und berufsschulischen Lehrerverbände: Deutscher Philologenverband DPhV, Bundesverband der Lehrkräfte an Beruflichen Schulen BvLB, Verband Deutscher Realschullehrer VDR und Katholische Erziehergemeinschaft KEG.

Für Stellungnahmen erreichen Sie DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger unter 0160 – 52 75 608. Stefan Düll erreichen Sie über die Geschäftsstelle des Deutschen Lehrerverbands über 030/7009 4776.

Für den Inhalt verantwortlich: Geschäftsstelle Deutscher Lehrerverband – Anne Schirrmacher

Bildung in Deutschland – Diagnosen und Perspektiven des Deutschen Lehrerverbandes

  1. Das allgemeinbildende und berufsbildende Bildungswesen in Deutschland steht vor immensen Herausforderungen, von deren Bewältigung nichts weniger als die Zukunftschancen unserer Kinder und Jugendlichen abhängen. Es gibt immer mehr Anzeichen dafür, dass der bisherige Standortvorteil Deutschlands, über ein insgesamt gut funktionierendes Schulsystem zu verfügen, massiv gefährdet ist: zu geringe Investitionen in die Bildung, ein alarmierender Mangel an Fachkräften und Bewerbungen für Ausbildungsplätze, ein massiver Lehrkräftemangel, eine Bildungspolitik, die weniger auf Qualität, sondern mehr auf Quantität setzt, ein immer größerer Mangel an Vergleichbarkeit bei Bildungsstandards, Schulsystemen und Abschlussprüfungen zwischen den Ländern sowie ein signifikanter Rückstand beim digitalen Transformationsprozess.

1.1 Seit Jahren befindet sich das deutsche Bildungssystem im permanenten Krisen- und Ausnahmemodus, in neuerer Zeit verstärkt durch den großen Flüchtlingszustrom 2015/16, dann fortgesetzt durch die Corona-Pandemie und die Aufnahme von Hunderttausenden ukrainischen Schülerinnen und Schülern seit Februar 2022. Diese immer neuen Herausforderungen, für die die Politik nie die dafür notwendigen Ressourcen in vollem Umfang bereit gestellt hat, haben die Kernanliegen guter Bildungspolitik zu stark in den Hintergrund treten lassen: Zu kurz gekommen sind die Förderung eines begabungsgerechten Unterrichts für alle, eine kontinuierliche Steigerung der Lernerfolge, die langfristige Integration von Zugewanderten, die bestmögliche Passung von Bildungs- und Beschäftigungssystem, eine Konzentration auf den Kernbereich des Unterrichtens und ein Fokus auf pädagogisch sinnvolle Digitalisierungsprozesse. Wir müssen deutsche Schulen und das deutsche Bildungssystem krisensicher und zukunftsfest Dazu brauchen wir eine bessere Unterrichtsversorgung, mehr Bildungsinvestitionen, eine Reform der KMK, mehr Handlungs- und Entscheidungsspielräume für Einzelschulen und eine langfristige Orientierung an Qualitätskriterien. Zu dieser Zukunftsfähigkeit und Krisenresilienz gehört in einer Welt der permanenten Krisen, der zunehmenden Polarisierung und Filterblasenbildung in sozialen Netzwerken unbedingt die Demokratie- und Werterziehung. Schule kann dabei aber nur erfolgreich sein in Zusammenwirkung mit Familien und mit Unterstützung gesellschaftlicher Institutionen.

1.2 Neuere Leistungsvergleiche wie die aktuellen Vergleichsstudien zeigen, dass es deutliche Leistungseinbußen insbesondere im Grundschulbereich gibt. Ein immer größerer Teil von Kindern erwirbt nicht einmal mehr die für eine weitere erfolgreiche Schullaufbahn notwendigen basalen Grundkenntnisse bei Lesefähigkeit, Rechtschreibung und Rechnen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass immer mehr Kinder bei Schulbeginn eigentlich nicht schulfähig sind und dem Unterricht – beispielsweise mangels deutscher Sprachkenntnisse – gar nicht folgen können. Um dem gegenzusteuern, müssen wir in Deutschland die Frühförderung umfassend intensivieren und gleichzeitig wieder mehr auf eine klare Ergebnis- und Leistungsorientierung an verbindlichen Kriteriena. beim Übergang auf die weiterführenden Schulen achten.

1.3 Das Bildungswesen in Deutschland ist sowohl auf Bundesebene als auch in den meisten Bundesländern chronisch unterfinanziert. Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland beim Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt unterdurchschnittlich ab. Gerade auch im Interesse des Erhalts eines differenzierten Bildungsangebots und einer verbesserten individuellen Förderung muss in die Bildung pro Schüler mehr Geld investiert werden. Im Zuge der finanziellen Belastung des Bundeshaushalts und der Länderhaushalte durch steigende Energiekosten, Inflationsanstieg und höhere Militär- und Sozialausgaben droht in verstärktem Maße die Vernachlässigung der Bildung. Der DL setzt sich mit Vehemenz dafür ein, dass dies nicht passiert und die Bildungsfinanzierung langfristig auf ein festes Fundament gestellt wird.

1.4 Insbesondere der sich dramatisch verschärfende, andauernde Lehrkräftemangel gefährdet massiv die Bildungsqualität und Bildungsgerechtigkeit in Deutschland. Immer mehr Stellen können überhaupt nicht mehr besetzt werden, gleichzeitig nimmt der Anteil der Quereinsteiger immer mehr zu, von denen sehr viele ohne ausreichende pädagogische, didaktische und fachliche Nachqualifizierung im Unterricht eingesetzt werden. Der Lehrkräftemangel ist derzeit die Hauptbedrohung für die Zukunftsfähigkeit unseres Schulsystems. Die Ursachen des Lehrermangels sind vielfältig, sie reichen vom unterschätzten Geburtenanstieg, dem massiven Abbau von Lehramtsstudienplätzen sowie dem unerwartet hohem Zustrom von Flüchtlingskindern bis hin zur systematischen Verschlechterung von Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in Schule und Unterricht, wenn zu viel Zeit für unterrichtsferne Tätigkeiten aufgewendet werden muss. Dabei ist auch auf das Versäumnis der Landesregierungen und der Schulministerien hinzuweisen, in den letzten Jahrzehnten keine vorausschauende Personalpolitik für die Schulen betrieben zu haben. Der DL setzt langfristig auf ein Konzept, wonach künftig in Nichtmangelzeiten eine Lehrkräftereserve aufgebaut sowie auf eine Steigerung der Attraktivität des Lehramts durch Senkung der Stundendeputate, Reduzierung der Verwaltungstätigkeiten, bessere Aufstiegschancen und durch Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams mit anderen Professionen Wert gelegt wird.

Auch die Gewinnung und Anwerbung von Quer- und Seiteneinsteigern kann ein Beitrag zur Bekämpfung des dramatisch hohen Lehrkräftemangels sein. Allerdings muss dabei im Interesse der Kinder und Jugendlichen auf eine anspruchsvolle, den Standards der grundständigen Lehrerbildung genügenden universitären und pädagogischen Nachqualifizierung größter Wert gelegt werden.

1.5 Die Bildungspolitik und die Bildungsdebatte in Deutschland sind vor allem auf das allgemeinbildende Schulwesen und auf das Hochschulwesen fixiert. Der für die Berufsbiografie seiner Schülerinnen und Schüler sowie für den Erfolg der deutschen Wirtschaft wie auch für das deutsche Sozialsystem bedeutende Sektor der beruflichen Bildung bleibt in der öffentlichen Wahrnehmung völlig unterbewertet. Dabei fährt Deutschland – wie Österreich und die Schweiz – ausgesprochen gut mit seinen Strukturen beruflicher Bildung, was sich u.a. in der im internationalen Vergleich sehr geringen Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland zeigt. Auch in Zukunft wird ein großer Teil der jungen Menschen über die berufliche Bildung den Einstieg in einen Beruf finden und dort über ein ausdifferenziertes (und noch weiter auszubauendes) Fort- und Weiterbildungssystem berufliche Karrieren erreichen, die mit denen von Absolventinnen und Absolventen der Hochschulen und Universitäten vergleichbar sind. Diese jungen Menschen und deren Qualifikationen müssen stärker in den Fokus der politischen und der bildungswissenschaftlichen Debatten gerückt werden, ihre Wünsche und Bedürfnisse müssen auch im Angebot beruflicher Bildung Berücksichtigung finden. Flankierend dazu ist das bereits in der Sekundarstufe I einsetzende und breit angelegte System der Berufsorientierung weiter auszubauen, das z. B. auch durch neue Formen der Lernortkooperation erweitert und damit weiter professionalisiert werden muss.

1.6 Durch die Erfahrungen der Coronakrise ist deutlicher denn je geworden, wie wichtig der Präsenzunterricht für den Lernerfolg, die Bildungsgerechtigkeit und den Erziehungsprozess ist, wir sehen aber auch, dass das deutsche Bildungssystem beim Digitalisierungsprozess einen erheblichen Rückstand im internationalen Vergleich aufweist. Auch wenn Bildungsstudien zeigen, dass mehr Computer und mehr digitaler Medieneinsatz nicht automatisch zu mehr Lernerfolg führen, müssen unsere Schulen unsere Jugendlichen bestmöglich auf eine Welt vorbereiten, die immer stärker von Digitalisierung geprägt sein wird. Dabei lautet unsere Maxime, dass die Technik unter dem Primat der Pädagogik stehen muss. Neben der Implementation von digitalen Medien in den Fachunterricht, dort, wo ein Mehrwert erzielt werden kann, brauchen wir eine umfassende Medienerziehung, die Kinder dazu befähigt, souverän, kritisch und reflektiert mit modernen Medien umzugehen.

1.7 Schule als eine der ganz wenigen Institutionen, die alle soziale Schichten und Milieus zusammenführt und einen klaren staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag hat, leistet einen wesentlichen Beitrag zur Festigung der Demokratie, zur Achtung der Menschenrechte, zur gegenseitigen Toleranz und zu einem sorgsamen, humanen Umgang miteinander. Der politischen Bildung an allen Schulen und Schularten muss ein höherer Stellenwert eingeräumt werden. Dies bedarf einer entsprechenden Aus-, Fort- und Weiterbildung aller Lehrkräfte.

1.8 Eine erfolgreiche Integrationspolitik ist nur möglich, wenn dafür an den Schulen und im vorschulischen Bereich die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt und die richtigen Konzepte umgesetzt werden. Es sind größere Anstrengungen erforderlich, um sicherzustellen, dass Kinder bei der Einschulung in der Lage sind, dem Unterricht auch sprachlich zu folgen. Dazu fordern wir verpflichtende vorschulische Sprachstandserhebungen und bei festgestellten Sprachdefiziten eine verpflichtende vorschulische Förderung. Dabei setzen wir in Erweiterung traditioneller Sprachförderprogramme auf eine alltagsintegrierte Sprachbildung, die durch Impulsförderung den Erwerb eines Grundwortschatzes bestmöglich unterstützt und garantiert. Außerdem sollte die Politik Anstrengungen unternehmen, die extreme soziale und ethnische Segregation insbesondere in Metropolregionen abzubauen. Etwa durch eine veränderte Städtebau- und Wohnungspolitik, durch einen flexibleren Umgang mit Schulsprengeln und eine angemessene Ausstattung aller Schulen soll der Entstehung und Verfestigung von Brennpunktschulen entgegengewirkt werden.

 

  1. Ein Land, das kulturell, wirtschaftlich und politisch bestehen will, muss in Zeiten fortschreitender Globalisierung ein differenziertes und qualitativ anspruchsvolles Bildungswesen vorhalten. Der Bedarf an Pluralität und an unterschiedlichen Profilen unterschiedlicher Bildungseinrichtungen ergibt sich aus der großen Bandbreite der Begabungen und Neigungen junger Menschen sowie aus der Heterogenität der Qualifikationsanforderungen und Lebensentwürfe.

2.1 Der DL vertritt einen Bildungsbegriff, der nicht vorrangig an wirtschaftlichen Erwägungen ausgerichtet ist. Natürlich ist Bildung auch wichtig, um einem Land qualifizierte Arbeitskräfte zuzuführen und die Konkurrenzfähigkeit auf den internationalen Märkten zu sichern. Bildung hat aber für uns eine umfassende Bedeutung. Erstens ermöglichen gute Bildung und die begabungsgerechte Förderung seiner Fähigkeiten jedem Menschen die Möglichkeit, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und so zu führen, dass er seine Stärken und Möglichkeiten weitgehend nutzen und ausschöpfen kann (Selbstverwirklichung). Zweitens hat gute Bildung den mündigen Bürger, die mündige Bürgerin im Blick. Unser Ziel ist es, junge Menschen dazu zu befähigen, nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Verantwortung zu übernehmen. Und drittens sichert gute Bildung einer Gesellschaft auch Wohlstand und die Wirtschaftskraft.

2.2 Mehr Bildungschancen und eine größere Chancengerechtigkeit erreicht man nicht durch Nivellierung von Ansprüchen bzw. durch eine inflationäre Verteilung von Bildungszertifikaten und Abschlüssen bei gleichzeitiger Senkung von Qualitätsstandards. Das würde gerade junge Menschen aus schwierigeren Milieus in ihren eingeschränkten Möglichkeiten festbinden. Selbst ein hochindividualisierender Unterricht zementiert Unterschiede: Je mehr Schüler ihren individuellen Möglichkeiten entsprechend gefördert werden, desto mehr schlägt die individuelle Begabung durch. In einem guten Bildungssystem geht es folglich nicht um Ergebnisgleichheit, sondern um gerechte Startchancen und die Förderung der verschiedenen Begabungen und Neigungen.

2.3 Die Behauptung, weltweit habe sich die Einheits- und Gesamtschule als überlegen durchgesetzt, ist völlig unzutreffend. Für Deutschland gilt: Gesamtschule in Deutschland hat trotz privilegierter Personal- und Sachausstattung die in sie einst gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Der DL erkennt Gesamtschulen als eine Angebotsschulart in einem gegliederten Schulwesen durchaus an, er widersetzt sich aber vehement allen Bestrebungen, das vielgliedrige Schulangebot durch eine Einheitsschule, heißt sie nun Gesamt- oder Gemeinschaftsschule, zu ersetzen. Mit Sorge sieht der DL, dass es in vielen Bundesländern, in denen Hauptschulen aufgelöst oder mit Realschulen verschmolzen worden sind, zu einer problematischen Heterogenisierung der Schülerschaft gekommen ist, ohne dass man deren unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht wird. Durch die Abschaffung von Hauptschulen wurde eben der Hauptschüler oder die Hauptschülerin selbst nicht abgeschafft. Insbesondere die frühzeitige und durchgängige Berufsorientierung, die eine besondere Stärke der Hauptschule war und ist, bleibt in anderen Schulformen häufig auf der Strecke. Folge ist, dass jeweils ein beachtlicher Teil der Schülerinnen und Schüler überfordert und ein anderer unterfordert bleibt. Der DL fordert deshalb eine stärkere, auf die unterschiedlichen Abschlüsse bezogene Leistungsdifferenzierung in der Sekundarstufe 1 und den Erhalt bzw. die Wiedergründung von Realschulen.

Auch das sogenannte „längere gemeinsame Lernen“, das von seinen Befürwortern als Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit angesehen wird, hat die darin gesetzten Erwartungen in keiner Weise erfüllt. Bundesländer mit sechsjähriger Grundschule wie Berlin und Brandenburg sind nicht gerechter und leistungsstärker, sondern in aller Regel ungerechter und leistungsschwächer als der Durchschnitt der Bundesländer.

2.4 Deutschland braucht keine profillosen, vereinheitlichten Schulformen, sondern möglichst vielgliedrig differenzierte und profilierte allgemeinbildende und berufsbildende Schulformen. Ein solches Schulwesen muss noch mehr zur Chiffre für begabungsgerechte individuelle Förderung Letzteres ist möglich, wenn man wie oben ausgeführt den Schulen über eine volle Lehrerversorgung hinaus einen deutlichen Zuschlag an Lehrerstunden gewährt. Mit diesem Zuschlag kann man spezifische Förderkurse nicht nur für leistungsschwächere, sondern auch für besonders begabte Schülerinnen und Schüler einrichten. Individualisierung darf freilich nicht zu einer Auflösung der je eigenen Profile unterschiedlicher Schulformen und Bildungsgänge führen.

2.5 Die Durchlässigkeit des Bildungswesens ist ein hoher Wert. Es ist allerdings zu unterscheiden zwischen horizontaler und vertikaler Durchlässigkeit. Die horizontale Durchlässigkeit zwischen verschiedenen Bildungseinrichtungen in einem differenzierten Schulwesen mit sich deutlich unterscheidenden Schulartprofilen kann nur eine eingeschränkte sein. Wichtiger ist die vertikale Durchlässigkeit. Das heißt: Auf jeden Bildungsabschluss muss ein Anschluss an weiterführende Bildung möglich sein. Dies zeigt beispielhaft das schulische Berufsbildungssystem. Heute erwirbt über ein Drittel der Jugendlichen nach dem Hauptschulabschluss oder ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (ESA) noch den Realschulabschluss oder mittleren Schulabschluss (MSA) und davon fast die Hälfte das Abitur. Das ist ein überzeugender Beweis, dass unser Bildungssystem sozialen Aufstieg nicht nur verspricht, sondern auch real ermöglicht.

2.6 Vielgliedrigkeit, Differenzierung und Profilbildung muss sich in den curricularen Inhalten Eine bloße Orientierung an inhaltlich nicht näher beschriebenen Kompetenzen provoziert ein Verwischen der Profile. Konkrete Inhalte sind Voraussetzung für das Entstehen kognitiver Strukturen, für den Aufbau einer intelligent vernetzten Wissensbasis und für die Förderung fachübergreifenden Denkens, für mündiges Urteilen, für anspruchsvolle Kommunikation und für ideelle Orientierung. Die sogenannte Entrümpelungsdebatte ist ein Irrweg. Es ist ein Irrtum, dass in Zeiten von Internet, Suchmaschinen und KI-Tools wie ChatGPT die Vermittlung von Kenntnissen, Fakten und Wissen nicht mehr so wichtig sei. Nur auf der Basis von vertiefter Allgemeinbildung ist angesichts der unübersehbaren Informationsflut eine Orientierung, Bewertung und kritische Reflexion möglich. Grundlegende Bildungsinhalte in fast allen Schulfächern kennen keine Halbwertszeit. Auch KI wird den Prozess der eigenständigen Bildungsaneignung nicht beliebig ersetzen und abkürzen können.

2.7 Ein profiliertes, vielgliedriges und leistungsförderndes Schulwesen erfordert auch eine nach Schularten und Schulprofilen differenzierte Lehrkräftebildung. Jede Nivellierung, Flexibilisierung und Vereinheitlichung von Lehramtsabschlüssen, etwa durch ein gemeinsames Grundstudium, verwischt die Schulartprofile und beraubt letztendlich die einzelnen Lehrämter ihrer spezifischen und besonderen Qualifikationen, also die Vorbereitung auf Ausbildungsreife und Beruf im Grund-, Haupt- und Mittel- bzw. Realschulbereich oder Studien- und Berufsorientierung und die Hinführung zur allgemeinen Studierfähigkeit im gymnasialen Lehramt. Außerdem fordert der DL die Wiederherstellung eines zweijährigen Referendariats in allen Bundesländern.

2.8 Der DL bekennt sich zum Bildungsföderalismus, wie er durch das Bundesstaatsprinzip in Art. 20 GG verankert und durch Art. 79,3 mit einer „Ewigkeitsklausel“ versehen ist. Bei aller notwendigen Differenzierung der Bildungslandschaft und der Bildungsabschlüsse müssen die Ansprüche und die Bildungsabschlüsse im Sinne der Gleichbehandlung vor dem Gesetz (GG Artikel 3) und im Sinne „gleichwertiger Lebensverhältnisse“ (GG Artikel 72) sowie der Gewährleistung innerstaatlicher Mobilität vergleichbar sein. Es ist vorrangig die Aufgabe der Selbstkoordinierungsgremien der deutschen Länder, insbesondere der MPK und der KMK, diese Vergleichbarkeit unter Wahrung der Grundsätze des kooperativen und kompetitiven Wettbewerbs-Föderalismus auf anspruchsvollem Niveau zu gewährleisten. Dazu bedarf es gerade im allgemeinbildenden Bereich keiner Verfassungsänderung und zusätzlicher Kompetenzen des Bundes. Bildungszentralismus würde hier eher nach unten nivellierend wirken. Allerdings müssen die 16 deutschen Länder mehr als bislang auf bildungspolitische Eitelkeiten verzichten und die Kultusministerkonferenz sollte ihrer Koordinierungsaufgabe auch wirklich nachkommen. Dazu bedarf es aus Sicht des DL einer umfassenden KMK-Reform. Hilfreich wäre überdies der Abschluss eines Bildungs-Staatsvertrags zwischen den Bundesländern, in dem die gemeinsame Grundlagen und Standards eindeutig festgelegt werden.

Eines erheblich höheren Maßes an Koordinierung bedarf freilich die berufliche Bildung. Hier sind die Zuständigkeiten zu sehr atomisiert – auf mehrere Bundesministerien, auf Landesministerien und auf Kammern.

 

  1. Ein Bildungswesen muss gerecht sein. Gerecht ist es aber nur, wenn es Chancen zur eigenverantwortlichen Nutzung der Bildungsangebote und zur individuellen Leistungsentfaltung bietet. „Bildungsgerechtigkeit“ darf nicht darin bestehen, dass Strukturen, Inhalte und Anforderungen egalisiert werden. Ein gerechtes Bildungswesen kann nur ein Bildungswesen sein, das einerseits am Leistungsprinzip orientiert ist, aber gleichzeitig im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür sorgt, dass für alle Kinder vergleichbare Startchancen bestehen.

3.1 Bildung ist ohne Anstrengung sowie ohne die Investition von Zeit und Energie nicht zu haben. Die Vorstellung, Bildung ließe sich einfach technokratisch-mechanisch vermitteln, geht von einem falschen Bildungsverständnis aus. Erfolgreiches Lernen setzt auch eine eigenständige, auf Anstrengung beruhende Aneignung von Bildung durch den Lernenden voraus. Nur wenn Lehrende und Lernende aktiv zusammenwirken, kann Bildung erfolgreich sein. Auch die Vorstellung, Unterricht müsse vorrangig so gestaltet werden, dass das Lernen stets „Spaß“ macht, ist zu kurz gegriffen. Fördern und Fordern gehören zusammen. Irreführend ist auch die Behauptung, viele Heranwachsende seien durch die Schule überfordert. Dies mag zutreffen, wenn Kinder in die für sie falsche Schullaufbahn gedrängt werden. Selbstverständlich ist aber ebenso eine Drill-Pädagogik asiatischer Ausprägung der falsche Weg. Kinder und Jugendliche wollen aber auch gefordert werden. Nur wenn man ihnen im positiven Sinne auch etwas zutraut und abverlangt, werden sich größere Lernerfolge einstellen.

3.2 Wer das Leistungsprinzip in den Bildungseinrichtungen untergräbt, setzt eines der revolutionärsten demokratischen Prinzipien außer Kraft. In unfreien Gesellschaften sind Vermögensverhältnisse, familiäre Herkunft, Gesinnung oder Geschlecht Allokationskriterien. Freie Gesellschaften haben an deren Stelle das Kriterium Leistung in Verbindung mit Chancengerechtigkeit vor Erfolg und Aufstieg gesetzt. Dies ist die größte und beste Chance zur Emanzipation, zu sozialem Aufstieg und zu umfassender politischer und kultureller Teilhabe für jeden Einzelnen. Durch eigene Leistung errungene Bildung ist der Schlüssel für Freiheit und Selbstverwirklichung.

3.3 Jeder sollte seines Glückes Schmied sein können. Mit Ellenbogengesellschaft oder sozialer Kälte hat das nichts zu tun. Vielmehr ist auch der Sozialstaat zugunsten Benachteiligter, Kranker und Alter nur realisierbar mit der millionenfachen Leistung und Anstrengung der Leistungsfähigen. Sozialstaatlichkeit und Leistungsprinzip gehören in diesem Sinne untrennbar zusammen.

3.4 Beim Start in die Bildungslaufbahn sollten alle gleiche Chancen haben, gleiche Zielchancen kann es nicht geben. Ziel aller öffentlichen Bildungsanstrengungen muss die Integration aller Heranwachsenden in Gesellschaft und Gemeinwesen sein. Dazu brauchen wir einen verstärkten Ausbau und neue alltagsintegrierte Modelle einer verpflichtenden vorschulischen Förderung insbesondere für Kinder, die ansonsten nicht schulfähig wären und dem Unterricht nicht folgen können. Zugleich gilt aber: Chancen sind keine Vollkasko-Garantien, zu Erfolgsaussichten können sie erst durch eigene Anstrengung werden.

3.5 Entgegen vielerlei Behauptungen ist das Bildungswesen in Deutschland sozial nicht ungerechter als das Bildungswesen vergleichbarer Nationen, wie internationale Vergleichsstudien zeigen. Die zahlreichen Schul- und Hochschulgründungen der vergangenen Jahrzehnte kamen gerade bildungsfernen Schichten zugute. Zum Beispiel gibt es in Deutschland rund 50 verschiedene Wege zu einer Studienberechtigung. Der Anteil der Studierenden, die zuvor kein Gymnasium besuchten, ist immer größer geworden und hat in manchen deutschen Ländern die 50-Prozent-Marke überschritten. Nutznießer dieser Entwicklung sind gerade auch Kinder aus nichtakademischen Elternhäusern. Trotzdem befürwortet der DL verstärkte Anstrengungen, den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg mehr zu entkoppeln. Da die Möglichkeiten und Wirkungen staatlicher Interventionen in diesem Bereich aber sehr begrenzt sind, wird es dabei auch darauf ankommen, die Eltern aus sozial benachteiligten Milieus hierbei stärker einzubeziehen und ihnen den immensen Wert von guter Bildung für ihre Kinder zu verdeutlichen.

3.6 Es ist ein sozialpolitisch gebotenes, dem Prinzip der Subsidiarität geschuldetes Ziel, das Bildungsangebot für sozial schwächere Kinder zu verbessern. Um die Zahl der sog. Bildungsverlierer weiter zu reduzieren und um die Barriere der Selbstselektion überwinden zu helfen, muss es noch mehr als bisher gelingen, „bildungsferne“ Schichten zum Besuch weiterführender Bildungseinrichtungen zu motivieren. Eine besondere Aufgabe kommt dabei der vorschulischen Erziehung und der Bildungsberatung zu.

3.7 Deutschland braucht zudem ein Bildungssystem, das auch besonders leistungsfähige und leistungsstarke Kinder und Jugendliche umfassend fördert. Wer individuelle Förderung will, muss auch Begabten und Hochbegabten spezifische Angebote machen. Dabei geht es nicht allein um die Förderung von Spitzenleistungen, sondern auch darum, dass Leistungseliten auch eine besondere gesellschaftliche Verantwortung und Verpflichtung für das Gemeinwohl haben. Vor einem solchen Hintergrund ist selbst Ungleichheit gerecht – nämlich dann, wenn Elite allen nützt, das heißt, wenn das Handeln von Eliten zu einem gesamtgesellschaftlichen Mehrwert führt. Wir brauchen ein Verständnis von Leistung, bei dem neben dem Karrieregedanken der Gedanke der gesellschaftlichen Verantwortung und des Respekts eine maßgebliche Rolle spielt.

3.8 Der DL bekennt sich zum Gedanken der Inklusion, wie er auch in der UN-Behindertenkonvention artikuliert worden ist. Dabei geht es in erster Linie darum, allen Kindern einen Zugang zu Bildung zu eröffnen. Exklusion und Inklusion machen sich für uns nicht am Besuch von Regel- oder Förderschulen fest, sondern daran, an welcher Schulart das jeweilige Kind am besten gefördert und inkludiert werden kann. Der DL ist für ein umfassendes Elternwahlrecht in dieser Frage und für den Erhalt des Förderschulsystems in Deutschland. Dazu gehört auch der Erhalt der hochqualifizierten und hochdifferenzierten Lehrkräfteausbildung im Förderschulbereich.

  1. Die duale Ausbildung als Standortvorteil des deutschen Bildungswesens

4.1 Viele der deutschen Schul- und Berufsabschlüsse unterhalb der formal-akademischen Schwelle sind vergleichbar mit Hochschulabschlüssen andernorts. Daher sind die Akademiker-Quoten international nicht vergleichbar.

4.2 Es gibt keine Korrelation zwischen der Quote der Studierberechtigten und wirtschaftlicher Prosperität. Ein wichtiges bildungspolitisches Kriterium wird ebenfalls häufig übersehen, nämlich das Ausmaß an Jugendarbeitslosigkeit. Hier haben viele Länder mit Gesamtschulsystemen eine Quote von 20 Prozent und mehr. In Ländern mit gegliederten Schulsystemen und dualer Berufsbildung, nämlich in Deutschland, Österreich und in der Schweiz, sind es deutlich weniger. All dies ist vor allem Verdienst des dualen Systems der beruflichen Bildung, zu dem sich der DL vorbehaltlos bekennt.

4.3 Auch die angebliche soziale Durchlässigkeit des Bildungswesens anderer Staaten ist oft ein statistisches Artefakt: Wenn in Finnland die Tochter eines Industriearbeiters Krankenschwester wird, dann gilt sie als Paradebeispiel für die soziale Durchlässigkeit des dortigen Bildungswesens. Wenn in Deutschland die Tochter eines Facharbeiters Krankenschwester wird, gilt dies als Beispiel für die mangelnde soziale Durchlässigkeit unseres Bildungswesens.

  1. Plädoyer für wissenschaftsbasierte, auf hohe Qualität und Konsens ausgerichtete Reformen statt sprunghaftem Reformaktionismus

Ziele, Inhalte und Strukturen eines Bildungswesens müssen einer ständigen Überprüfung unterworfen werden. Reformen und Veränderungen sind aber kein Wert an sich. Vielmehr gilt: Bewährtes ist zu bewahren und behutsam weiterzuentwickeln. Kollateralschäden von verfehlten Bildungsreformen zeigen sich oft erst nach vielen Jahren und Jahrzehnten. Deshalb plädieren wir dafür, notwendigen Reformbedarf zunächst auf der Grundlage überprüfbarer wissenschaftsbasierter Expertisen und Evaluationen zu definieren, um dann auf der Grundlage eines gesellschaftlich breiten Diskussionsprozesses alle Beteiligten einzubeziehen und mitzunehmen.

Die Zeit eines kurzatmigen, oft aus ideologischen Gründen betriebenen Reformaktionismus muss endgültig vorbei sein.

Juni 2023 – Präsidium und Bundeshauptausschuss Deutscher Lehrerverband

als PDF zum Download: DL-Grundsatzpapier_2023 

Für einen Nationalen Bildungsgipfel: Breiter Appell an Bundeskanzler und Länderchef:innen



Leistungsdefizite, Chancenungleichheit, Pädagog:innenmangel: Die massiven Pro-bleme im deutschen Bildungssystem verletzen die Rechte jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen auf bestmögliche Bildung und haben Folgeschäden für die gesamte Gesellschaft. Deshalb erfordern sie politisches Handeln in gesamtstaatlicher Verantwortung. Ein breiter Kreis aus Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften appelliert an den Bundeskanzler und die Regierungschef:innen der Länder, mit einem Nationalen Bildungsgipfel einen grundlegenden Reformprozess im Bildungswesen einzuleiten.

Die Lösung der massiven Probleme im deutschen Bildungssystem duldet keinen weiteren Aufschub. Aus dieser Überzeugung heraus richtet ein breiter Kreis aus Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften einen gemeinsamen Appell an alle Verantwortlichen in der Politik. Anlass ist der heutige Bildungsgipfel am Rand der Bildungsforschungstagung des Bundesbildungsministeriums, der mit Blick auf Format, Vorbereitung, Agenda und Teilnehmende der Dimension der Herausforderung nach Ansicht der Unterstützer:innen des Appells nicht gerecht wird. „Es ist höchste Zeit, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und die Regierungschef:innen der Bundesländer einen echten Nationalen Bildungsgipfel einberufen. Dieser Gipfel sollte alle relevanten Akteur:innen in der Bildung an einen Tisch bringen und den Auftakt zu einem grundlegenden, gesamtgesellschaftlichen Reformprozess markieren, um einen Neustart in der Bildung einzuleiten“, appellieren die Unterstützer:innen.


Die Alarmsignale sind längst unverkennbar und zeigen sich bereits in der frühen Bildungsphase: Bundesweit fehlen Hunderttausende Kita-Plätze, zudem können viele Kitas aufgrund einer nicht kindgerechten Personalausstattung ihren Bildungsauftrag nicht mehr erfüllen. An den Grundschulen wiederum gehen die Leistungen seit Jahren zurück, vor allem in den Ba-siskompetenzen Lesen, Schreiben, Zuhören und Rechnen. Auch an den weiterführenden Schulen sinkt das Leistungsniveau auf allen Ebenen dramatisch. Der Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss bleibt hoch. Zugleich wächst die Zahl junger Menschen, die im Berufs-leben den Anschluss verlieren: Mehr als eine halbe Million junge Erwachsene zwischen 20 und 34 Jahren gehen weder einer Arbeit noch einer schulischen oder beruflichen Ausbildung nach. Neben individuellen Risiken erwachsen daraus auch soziale und wirtschaftliche Belastungen für die Gesellschaft. Ein Kernproblem deutscher Bildungspolitik bleibt über alle Bildungsstufen hinweg ungelöst: Bildungserfolge hängen hierzulande noch immer zu stark von der sozialen Herkunft ab. Auf diese Weise werden die Chancen und Rechte von Kindern und Jugendlichen beschnitten und Begabungen vergeudet.


Strukturelle Probleme angehen: Fachkräftemangel, Finanzierung, Steuerung

Obwohl sich alle Beteiligten viel Mühe geben: Dem Bildungssystem gelingt es immer weni-ger, die Fehlentwicklungen zu korrigieren. Das liegt zum einen am massiven Mangel an Leh-rer:innen und pädagogischen Fachkräften, der sich in den kommenden Jahren noch zu ver-schärfen droht. Darunter leiden nicht nur die Verfügbarkeit und Qualität der Bildungsange-bote an Schulen und Kitas, sondern auch das vorhandene Personal. Die steigende Arbeits-belastung, insbesondere durch nicht-pädagogische Aufgaben, mindert die Attraktivität der
Berufsbilder und schreckt künftige Nachwuchskräfte ab. Die Engpässe haben auch Folgen für die Wirtschaft: Fehlende Plätze in Kitas und der Ganztagsförderung von Grundschüler:in-nen erschweren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, während häufiger Unterrichtsausfall die Vermittlung grundlegender Kompetenzen für die Fachkräfte von morgen behindert.
Ein weiteres Problem stellt die Finanzierung des Bildungssystems dar. Sie ist häufig weder auskömmlich noch sozial gerecht. Gerade im Bereich der außerschulischen Angebote ist das Geld zu knapp und nicht langfristig zugesichert. Zudem werden Gelder noch immer zu oft nach dem Gießkannenprinzip verteilt, anstatt sie gezielt dort einzusetzen, wo sie am meisten bewirken können.


Schließlich behindert die Struktur des Bildungssystems selbst Anpassungen und Reformen. Die unsystematische Verflechtung der politischen Ebenen erfordert komplexe Abstimmun-gen, sowohl zwischen Bund, Ländern, Kommunen und den jeweils beteiligten Ressorts, als auch mit den Trägern. Wohin das führt, zeigen zum Beispiel die zähe Umsetzung des Digital-pakts, der schleppende Ausbau des Ganztagsangebots für Grundschulkinder, die stagnie-rende Inklusion oder das Fehlen bundesweiter Qualitätsstandards in vielen Bereichen. Ge-fragt ist eine neue Kultur der Bildungszusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kom-munen, wie sie der Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt hat.


Es braucht eine Initialzündung auf den höchsten politischen Ebenen

Allerdings lässt es die Dringlichkeit der Probleme nicht zu, auf eine Neuordnung der kommu-nalen und föderalen Zuständigkeiten zu warten. Die Missstände im Bildungswesen reichen weit über Kitas und Schulen hinaus. Sie gefährden sowohl die Chancen und Rechte jedes einzelnen jungen Menschen als auch die Zukunft unserer Wirtschaft, Gesellschaft und De-mokratie. Bildung soll den jungen Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung helfen und Orientierung bieten. Sie soll es ihnen ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, an der Gesellschaft teilzuhaben und diese mitzugestalten. Sie soll ihnen die Kompetenzen ver-mitteln, um in der immer komplexeren Arbeitswelt ihren Platz zu finden. Bildung ist die Grundlage für wirtschaftlichen Wohlstand, Innovationskraft und die Zukunftsfähigkeit unserer demokratischen Gesellschaft. Daher ist es erforderlich, jetzt die Weichen für ein leistungsfä-higeres, begabungs- und chancengerechteres Bildungssystem zu stellen.


Um den dringend benötigten Reformprozess herbeizuführen, braucht es eine Initialzündung auf den höchsten politischen Ebenen. Ein Nationaler Bildungsgipfel wäre das starke Signal, die Bildung endlich zur gemeinsamen Chef:innensache zu erklären. Der Bundeskanzler und die Regierungschef:innen der Länder haben das nötige Gewicht, um gemeinsam mit den Bil-dungs-, Wissenschafts- und Jugendminister:innen von Bund und Ländern, Vertreter:innen aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, aus Wirtschaft, Wissenschaft, Bildungspra-xis, Zivilgesellschaft sowie von Eltern und Schüler:innen zusammenzubringen. Der Nationale Bildungsgipfel sollte den Auftakt zu einem kontinuierlichen Dialog- und Reformprozess mit gemeinsamen Arbeitsstrukturen markieren. Dabei müssen sich alle relevanten Akteur:innen auf gemeinsame Ziele sowie geeignete Maßnahmen verbindlich einigen und darauf hinwir-ken, diese in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung pragmatisch, lösungsorientiert und ent-schlossen umzusetzen. Denn nur mit vereinten Kräften kann der Neustart in der Bildung als elementare Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands gelingen.


Den Appell unterstützen:
Alfred Toepfer Stiftung F.V.S.
Allgemeiner Schulleitungsverband Deutschlands (ASD)
Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) e.V.
Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ
Bertelsmann Stiftung
BöfAE e.V. (Bundesarbeitsgemeinschaft öffentlicher und freier Ausbildungsstätten für Erziehe-rinnen und Erzieher)
Bund der Freien Waldorfschulen e.V.
Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung & Teilhabe (bbt)
Bundeselternrat
Bundesverband der Kita- und Schulfördervereine e.V.
Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung e.V. (BvLB)
Der Kinderschutzbund Bundesverband e.V.
Deutsche Kinder- und Jugendstiftung
Deutsche Liga für das Kind e.V.
Deutsche Telekom Stiftung
Deutscher Caritasverband
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
Deutscher Lehrerverband
Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
Deutsches Komitee für UNICEF e.V.
Diakonie Deutschland
Dieter Schwarz Stiftung
Dieter von Holtzbrinck Stiftung GmbH
Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule – Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens e.V. (GGG)
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
Grundschulverband e.V.
Heraeus Bildungsstiftung
Karg-Stiftung
Kita-Fachkräfte-Verband Hessen e.V.
Kita-Fachkräfteverband Niedersachsen-Bremen e.V.
komba gewerkschaft
Körber-Stiftung
Landesverband Sozialpädagogischer Fachkräfte Berlin e.V.
National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention e.V.
Reinhard Mohn Stiftung
Robert Bosch Stiftung
Schöpflin Stiftung
SOS-Kinderdorf e.V.
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.
Stiftung Bildung
Stiftung Haus der kleinen Forscher
Unternehmerstiftung für Chancengerechtigkeit
Verband Deutscher Privatschulverbände e.V. – Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft
Verband für Kitafachkräfte NRW e.V.
Verband Kita-Fachkräfte Baden-Württemberg
Verband Kita-Fachkräfte Bayern e.V.
Verband KiTa-Fachkräfte Rheinland-Pfalz
Verband Kitafachkräfte Saar
Verband Sonderpädagogik e.V.
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di
Vodafone Stiftung Deutschland
Wübben Stiftung
ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland

Veröffentlicht unter Presse

Lehrkräftemangel darf nicht zu weiteren Verschlechterungen bei den Arbeitsbedingungen von Lehrkräften führen!

Meidinger erteilt einigen SWK-Vorschlägen eine klare Absage

Vor Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel auf dem Rücken der sowieso überlasteten Lehrerkollegien hat der DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger die Landesregierungen gewarnt. Mit Blick auf die heutigen Vorschläge der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz erklärte er: „Tatsache ist, dass die Politik durch massiven Abbau von Lehramtsstudienplätzen und Ignorierung des Geburtenanstiegs den heute dramatischen Lehrkräftemangel mitverschuldet hat. Ihn zu bekämpfen, indem die Arbeitsbelastung weiter erhöht wird, wäre absolut kontraproduktiv, weil dies erheblich mehr Kolleginnen und Kollegen in die krankheitsbedingte Frühpensionierung treiben und das Berufsbild langfristig noch unattraktiver machen würde.“

Der Verbandsvorsitzende erkannte zwar an, dass einige der SWK-Vorschläge durchaus diskutabel seien, dies gelte aber nicht für die zwangsweise Anhebung von Teilzeiten und die Einschränkung der Altersermäßigungen. Auch die Anhebung von Klassenfrequenzen sei aus pädagogischer Sicht kein gangbarer Weg. Auch der empfohlene Einsatz von Fern- und Hybridunterricht, um Lehrkräfte einzusparen, bringe gerade mit Blick auf die Schularten wie Grund- und Förderschulen nichts, wo der größte Lehrkräftemangel herrsche.

Meidinger forderte die Landesregierungen und die KMK auf, sich bei den zu ergreifenden Maßnahmen nicht hinter den Vorschlägen der SWK zu verstecken, sondern in einen zwar streitigen, aber konstruktiven Dialog auf Augenhöhe mit Lehrer- , Eltern- und Schülerverbänden zu begeben.

Den Vorwurf, Lehrerverbände würden immer nur kritisieren, aber keine eigenen konstruktiven Vorschläge machen, wies der DL-Präsident zurück: „Über die verstärkte Anwerbung und hochwertige Nachqualifizierung von Quereinsteigern kann man mit uns reden. Warum gibt es außerdem in vielen Ländern keine Möglichkeit für Lehrkräfte im Ruhestandsalter, die das wollen, noch freiwillig das eine oder andere Jahr dranzuhängen? Viel wäre auch gewonnen, wenn durch besseren Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz weniger Lehrkräfte ausfallen würden. Grundsätzlich aber gilt: Wenn man vor Jahren unseren Warnungen vor einem dramatischen Lehrkräftemangel Gehör geschenkt hätte, gäbe es die jetzige katastrophale Situation nicht.“

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Für Stellungnahmen erreichen Sie DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger unter 0160 – 52 75 608.

Für den Inhalt verantwortlich: Geschäftsstelle Deutscher Lehrerverband – Anne Schirrmacher