Heinz-Peter
Meidinger
Noten
haben bei allem Bemühen um Objektivität immer auch eine subjektive
Komponente, – diese Erkenntnis ist heute unbestritten und wohl so alt
wie die Geschichte schulischer und universitärer Leistungsmessung
insgesamt.
1970
erschien das Buch „Die ungerechte Aufsatzzensur“ des Kieler
Pädagogikprofessors Gottfried Schröter, in dem dieser über 11 000
Zensuren für rund 600 verschiedene Deutschaufsätze von Lehrkräften
und Didaktikprofessoren einsammelte und feststellen musste, dass es
keinen einzigen Aufsatz gab, bei dem alle jeweils beteiligten 12 bis
18 Lehrer zum gleichen Notenurteil kamen. (Gottfried Schröter: Die
ungerechte Aufsatzzensur. Bochum 1970; vgl. auch: „Eins gleich
sechs“ Spiegel 44/1970; S. 114 – 117) In der Nachfolge der
Studentenrevolte führte dies seinerzeit zu hitzigen Diskussionen in
Lehrer- und Hochschulseminaren über die Ungerechtigkeit von
Notenurteilen und das Versagen schulischer Leistungsbewertung
generell, obwohl der Verfasser selbst die Noten nur vergleichbarer
machen und nicht abschaffen wollte.
Aus
der Schulforschung wissen wir, dass Noten immer abhängig von einer
Reihe von Variablen sind, also beispielsweise von den Anforderungen,
der durchschnittlichen Leistungsstärke der Referenzgruppe, aber auch
von subjektiven Annahmen der Prüfer.
Die
inzwischen abgelöste Kultusministerin von Schleswig-Holstein,
Waltraud Wende, blieb so auch im Kreise ihrer Amtskollegen isoliert,
als sie vor zwei Jahren ankündigte, in Schleswig-Holstein in der
Grundschule auf Ziffernnoten generell zu verzichten, weil Noten
ungerecht, unfair und oft Glücksache seien. („Brauchen
Grundschüler Noten?“ In ZEIT, 15/2014 vom 3.4.2014).
Dass die Berechtigung von Notenvergaben heute weniger als noch in den 70er-Jahren grundsätzlich in Frage gestellt wird, hängt sicher auch damit zusammen, dass alle Versuche, alternative Bewertungssysteme zu entwickeln, z.B. Verbalbeurteilungen, Portfolios oder Kompetenzbeschreibungen, sich in der schulischen und gesellschaftlichen Praxis als nicht so aussagekräftig und praktikabel erwiesen haben wie die Vergabe von Ziffernnoten.
Wenn
heute Noten wieder stärker in den Fokus schul- und
bildungspolitischer Debatten rücken, dann sind dafür zwei andere
Entwicklungen und Beobachtungen ursächlich.
Da
geht es zum einen um das Phänomen der so genannten Noteninflation
und zum anderen um die Frage, inwieweit Noten, insbesondere Abitur-
und Examensnoten in Zeiten des Bildungsföderalismus und der
Hochschulautonomie miteinander noch vergleichbar sind.
Noteninflation:
Bessere Noten trotz stagnierender Leistungen
Nach
gängiger Auffassung bezeichnet Noteninflation die Beobachtung, dass
Prüflinge für die gleiche Leistung in späteren Jahren bessere
Zensuren erhalten als in früheren Jahren. Thomas Gaens macht auf die
Konsequenzen aufmerksam: „Werden die vergebenen Noten immer besser,
obwohl die Leistungen von Studierenden konstant bleiben, wird damit
das Prinzip der Vergleichbarkeit von Noten sowohl im Querschnitt als
auch im Zeitverlauf ausgehebelt. Absolventen mit guten Leistungen
erhalten weiterhin gute Noten, solche mit schlechten Leistungen dann
ebenfalls, womit eine Differenzierung zwischen ihnen erschwert wird.“
(Thomas
Gaens: Noteninflation an deutschen Hochschulen – Werden die
Examensnoten überall immer besser? In: Beiträge zur
Hochschulforschung 37, Jahrgang 4/2015, S. 8 – 35).
Diese
Definition macht schon von vorneherein die grundsätzlichen
methodischen Schwierigkeiten deutlich, sich mit diesem Sachverhalt
argumentativ differenziert auseinanderzusetzen. Es reicht nämlich
nicht allein der statistische Nachweis, dass die Noten an Hochschulen
und Schulen besser geworden sind, sondern es muss auch geprüft
werden, ob im Falle von statistisch signifikanten Trends zu besseren
Noten über einen größeren Zeitraum nicht auch entsprechende
Leistungsverbesserungen zugrunde liegen. Wäre dies der Fall, läge
keine Noteninflation vor.
Während in Deutschland diese Diskussion um eine Noteninflation erst seit dem Jahre 2003 mit dem ersten entsprechenden Bericht des Wissenschaftsrats und den beiden Folgestudien von 2007 und 2014 mit Vehemenz eingesetzt hat, (Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates: Prüfungsnoten an Hochschulen 1996, 1998 und 2000 nach ausgewählten Studienbereichen und Studienfächern – Arbeitsbericht Drs. 5526-03, Köln 2003. Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates: Prüfungsnoten im Prüfungsjahr 2005 an Universitäten (einschließlich KH, PH, TH) sowie an Fachhochschulen einschließlich Verwaltungsfach-hochschulen nach ausgewählten Studienbereichen und Studienfächern – Arbeitsbericht Drs. 7769-07, Köln 2007. Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates: Prüfungsnoten an Hochschulen im Prüfungsjahr 2010. Arbeitsbericht mit einem Wissenschaftspolitischen Kommentar des Wissenschaftsrates. Drs. 2627-12, Hamburg 2012) ist die Debatte um die „Grade inflation“ in angelsächsischen Ländern, insbesondere den Vereinigten Staaten, wesentlich älter,- sie reicht in die 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurück (vgl. z.B. Prather, James E. u.a.: A Longitudinal Study of Grades in 144 Undergraduate Courses. In: Research in Higher Education. Vol.10-1, S. 11-24). Ende 2001 schaffte es der „Grade-Inflation-Skandal“ in Harvard sogar auf die Titelseiten der US-Medien. Der neu gewählte Harvard-Präsident Lawrence Summers ließ damals eine fakultätsübergreifende Kommission einen Maßnahmenkatalog erarbeiten, um der Bestnotenschwemme in Harvard entgegenzuwirken. Nach einer Studie der American Academy of Arts & Sciences beendeten damals 91 Prozent der „Senior Graduates“ in Harvard ihre Ausbildung mit Auszeichnung, in vergleichbaren Top-Unis wie Yale oder Princeton aber lediglich 40 bis 50 Prozent. (vgl. SPIEGEL vom 21.2.2002).
Entwicklung reicht bis in die 50er-Jahre zurück
Auch wenn die Statistiken des Wissenschaftsrates erst das Thema „Noteninflation“ in das öffentliche Bewusstsein in Deutschland rückten, gab es 1987 bereits eine große Vorläuferstudie von Josef Hitpass und Jürgen Trosien, deren erster Messpunkt bis in das Jahr 1953 zurückreicht. (Hitpass, Josef / Trosien, Jürgen: Leistungsbeurteilung in Hochschulabschlussprüfungen innerhalb von drei Jahrzehnten – Wandel von Prüfungsergebnis und Prüfungserlebnis an deutschen Hochschulen. Bad Honnef 1987). Sie analysierten Daten von sechs Diplomfächern sowie fächerübergreifend zusammengefasste Lehramtsprüfungen zu vier verschiedenen Messzeitpunkten, nämlich 1953, 1963, 1973 und 1983. Bei Zweidrittel der Fächer ließ sich eine signifikante Verbesserung über den gesamten Messzeitraum feststellen, lediglich im Fach Physik aber eine kontinuierliche über alle Erhebungszeitpunkte.
Tatsache ist also, dass die Tendenz zu besseren Noten lange vor den Erhebungen des Wissenschaftsrats eingesetzt hat. Vor allem dessen letzte Studie von 2012 hat nochmals vor Augen geführt, dass sich die Inflation guter Noten weiter fortgesetzt hat. Während im Jahr 2000 durchschnittlich 70 Prozent eines Abschlussjahrgangs eine gute oder sehr gute Note erhielten, waren es 10 Jahre später bereits über 80 Prozent. Bezieht man noch den durch die Hitpass-Untersuchung abgedeckten Zeiträume mit ein, ergibt sich tatsächlich eine eindrucksvolle Notenverbesserung in der Mehrzahl der erfassten Studiengänge bzw. von deren Abschlussprüfungen, die allerdings erst so richtig ab Mitte der 60er-Jahre einsetzt, – etwa in Chemie eine halbe Note seit 1960, in Deutsch mit Abschluss Lehramt sogar mehr als eine ganze Note seit 1963. Von 1950 bis 1966 hatten sich die Durchschnittsnoten noch eher verschlechtert (vgl. Abbildungen 4 und 5 bei Gaens, S. 15f). Insbesondere in Biologie (1,4 in 2010) und Psychologie (1,3 in 2010) stellt sich das Notenniveau inzwischen so dar, dass die Leistungsdifferenzierung in Folge der „grade compression“ massiv gefährdet ist. Gleichzeitig gibt es aber auch Studiengänge und Fachbereiche, die sich dieser Noteninflation weitgehend entzogen haben, dazu zählen insbesondere die juristischen Staatsprüfungen, die Magisterstudiengänge in Soziologie und Germanistik sowie das Fach Maschinenbau. Während 2010 im Diplomstudiengang Biologie 98 Prozent der Uniabsolventen mit einer Eins oder Zwei abschlossen, waren dies bei der ersten juristischen Staatsprüfung nur 7 Prozent.
Allerdings
darf der Blick auf die Durchschnittsergebnisse nicht ausblenden, dass
die Dokumentation des Wissenschaftsrats nicht nur krasse
Notenniveauunterschiede zwischen einzelnen Studienfächern, sondern
auch enorme Differenzen zwischen einzelnen Universitäten in den
gleichen Studienfächern aufdeckt. In BWL lag etwa der Notenschnitt
der Bachelorstudenten 2010 bei 2,3 – dabei reichte das Spektrum
allerdings von 1,7 an der Frankfurt School, einer privaten
Hochschule, bis zur TU Clausthal mit 2,8. Die Zahlen legen auch nahe,
dass die Sportstudenten in Hamburg mit Abschlussnote 1,4
leistungsstärker (sportlicher?) sind als ihr Kommilitonen in Bochum,
die es lediglich auf eine 2,3 brachten.
Einflüsse
des sozialen Kontextes auf Hochschulprüfungen
Angesichts
dieser extrem großen Noten-Spannweite in Bezug auf Fächer und
Universitäten stellt sich die Frage der Vergleichbarkeit von
Examensnoten mit umso größerem Nachdruck. Volker Müller-Benedict
hat die Einflüsse des sozialen Kontextes auf Hochschulprüfungen
anhand umfangreichen Datenmaterials analysiert und kommt zu dem
ernüchternden Schluss: „Angesichts der Resultate scheint starke
Vorsicht geboten, wenn Examensnoten vergleichend angewendet werden
sollen.“ (Volker Müller-Benedict, Elenea Tsarouha: Können
Examensnoten verglichen werden? In: Zeitschrift für Soziologie, Jg.
40, Heft 5, Oktober 2011, S. 407). Selbst wenn man unterstelle, dass
alle Regeln einer guten Testpraxis eingehalten werden, was nicht von
ungefähr viele Experten bezweifeln, würde demnach die Tatsache,
welches Fach man studiert, welchen Abschluss man anstrebt, an welcher
Hochschule man die Prüfung ablegt und in welcher
Arbeitsmarktsituation man studiert, die Abschlussergebnisse erheblich
beeinflussen. Durchschnittliche Unterschiede zwischen den Fächern
reichen bis zu zwei ganzen Noten, zwischen Hochschulen im selben Fach
bis zu einer halben Note, wobei die fachlichen Differenzen über
Jahrzehnte stabil blieben, die zwischen den Hochschulen aber einer
größeren Veränderlichkeit unterliegen.
Erklärungsversuche
und Vermutungen
Mit der Analyse von Benedict verliert die sympathischste Erklärung für immer bessere Noten, nämlich dass die Leistungsfähigkeit der Studierenden seit Ende der 60er-Jahre (davor ja nicht!) kontinuierlich zugenommen habe, an Überzeugungskraft. Zwar liegen materielle, die wirkliche Qualität von Examensarbeiten im diachronen Vergleich erfassende Studien, kaum vor. Es gehört aber schon mehr als nur guter Wille dazu, zu glauben, dass trotz der Entwicklung zur Massenuniversität, trotz der sich zwischen 1970 und 2010 ständig verschlechternden Betreuungsrelation zwischen Professoren und Studierenden sowie der gleichzeitigen dramatischen Ausweitung der Jahrgangsquote an Hochschulzugangsberechtigten sich eine so signifikante Leistungssteigerung vollzogen habe. Es fiele auch schwer zu begründen, warum diese Leistungssteigerung sich so uneinheitlich hinsichtlich verschiedener Fächer und Hochschulen vollzogen hat.
Ein
weiteres Erklärungsmuster besteht darin, die sehr guten
Examensergebnisse gerade in naturwissenschaftlichen Fächern mit den
hohen Abbrecherquoten zu erklären, so dass am Schluss eben nur die
Besten übrig blieben. Erstens müsste dann mit der Verbesserung der
Noten auch eine proportionale Steigerung der Abbruchzahlen
einhergehen, wofür jegliche systematischen Belege fehlen und
zweitens gibt es eben auch Fächer, die das Notenlifting nicht
mitgemacht haben, wie etwa die Rechtswissenschaften, mit vergleichbar
hohen Abbrecherquoten. Man könnte auch die zunehmenden Klagen von
Universitäten über die mangelnde Qualität der Studienanfänger als
Gegenargument einer wirklichen Leistungssteigerung anführen, denn
mit schlechteren Studienanfängern ständig bessere Examensabschlüsse
hinzukriegen, wäre wirklich ein Wunder, – aber angesichts dessen,
dass aufnehmende Institutionen schon seit fast 200 Jahren über die
Defizite der Neuanfänger klagen, kann man dem wohl keine empirische
Evidenz zubilligen. Große Aufregung verursachte 2012 etwa eine
Befragung von 135 Hochschulfakultäten zur Lese- und Schreibkompetenz
von Studierenden. Erstsemester hätten demnach massive Lücken in
Rechtschreibung und Orthographie, der Beherrschung von Grammatik und
Syntax. Laut dem die Befragung durchführenden damaligen Vorsitzenden
des Philosophischen Fakultätentages und Bayreuther
Philologieprofessors Gerhard Wolf konstatierte das übereinstimmende
Befragungsergebnis den Studierenden “mangelnde Fähigkeiten,
selbständig zu formulieren und zusammenhängende Texte zu
schreiben”.
(http://www.deutschlandradiokultur.de/medienkompetenz-sehr-gut-deutsche-sprache-mangelhaft.954.de.html?dram:article_id=216137).
Studienanfänger seien überwiegend nicht mehr in der Lage, den roten
Faden eines Textes zu erkennen oder schlüssige Mitschriften aus
Vorlesungen anzufertigen.
Wenn
also gestiegene Leistungen als Ursache der Noteninflation – womit sie
dann übrigens auch keine mehr wäre, weil hinter den Noten auch
entsprechende Leistungen stünden – ausscheidet, dann bleibt man
auf mehr oder minder plausible und begründbare Vermutungen
angewiesen, wie sie etwa Leo Schubert zusammengefasst hat (Schubert
Leo : Noteninflation, HTWG-Forum – Das Forschungsmagazin der
Hochschule Konstanz, ISSN 1619-9812, 2014/2015, S. 56-63).
Einige
seien herausgegriffen:
-
Mit
der Umstellung vom Diplom zu Bachelor und Masterabschlüssen seien
vermehrt Prüfungsformen wie Referate und Studienarbeiten
implementiert worden, was oft mit besseren Bewertungen
einhergegangen sei.
-
Durch
die heute an den meisten Hochschulen verankerten Möglichkeiten,
Dozenten und Lehrveranstaltungen zu bewerten, habe sich eine Art
Agreement etabliert, gute Prüfungsergebnisse mit guten Bewertungen
zu honorieren und umgekehrt.
-
Die
personelle Überlastung führt teilweise zu sehr oberflächlichen
und pauschalen Korrekturen der Prüfungsarbeiten.
-
Bessere
Noten bedeuten auch – das betrifft übrigens Schulen und
Hochschulen gleichermaßen – weniger Ärger und Diskussionen mit
enttäuschten Prüflingen bzw. einen geringeren Mehraufwand für
Wiederholungs-, Nach- und Zusatzprüfungen.
Was
Schubert nicht erwähnt, was aber meiner Ansicht nach vor allem in
den Sozial-, Geistes- und Sprachwissenschaften eine nicht geringe
Rolle spielt, ist die Distanz vieler Hochschulprofessoren zur
Notengebung generell. Eine Mitwirkung an diesem gesellschaftlichen
Allokations- und Selektionsprozess wird nicht selten aus
grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt. Für diese Vermutung spricht,
dass, wie oben erwähnt, der Beginn der fortschreitenden
Noteninflation sich bei den meisten Fächern ziemlich genau auf den
Zeitraum ab 1970 festmachen lässt, also die Zeit, da die
„Selektions- und Reproduktionsmechanismen der bürgerlichen
Gesellschaft“ verstärkt in den Fokus der Kritik rückten.
Sicher mag auch eine Rolle gespielt haben, dass sich seit den 70er-Jahren die Arbeitsmarktsituation auch für Akademiker verschärft hat und so mancher Dozent hoffte, durch gute Noten die Jobchancen seiner Studentinnen und Studenten zu verbessern.
Seit
der Umstellung auf das gestufte Studiensystem kommen dazu spezielle
Effekte, beispielsweise die Abhängigkeit der Zulassung zum
Masterstudium von der Note beim Bachelorabschluss. Da gab es vor
einigen Jahren an einzelnen Universitäten ein böses Erwachen, als
die eigenen Studenten bei der Zulassung zum Masterstudium weitgehend
leer ausgingen, weil sie ihnen die begehrten Studienplätze von
besser benoteten Bachelorabsolventen aus benachbarten Hochschulen
weggeschnappt wurden. Die Gegenreaktion war absehbar: Um nicht die
eigenen Studierenden zu benachteiligen, glich man sich vielfach an
das (bessere) Notenniveau anderer Hochschulen an.
Anders
als in den angelsächsischen Ländern spielt aber ein Argument im
Zusammenhang mit Noteninflation in Deutschland keine Rolle. So wird
z.B. in den USA die „grade inflation“ auch darauf zurückgeführt,
dass viele Universitäten hohe Studiengebühren (Harvard: 35 000
Dollar per annum) verlangen und damit quasi eine Verpflichtung
eingegangen wird, die teuer bezahlenden „Kunden“ auch mit
entsprechenden Dienstleistungen in Form guter und bester Noten zu
versorgen. Mit Bayern hat vor wenigen Jahren bekanntlich das letzte
Bundesland verpflichtende Studiengebühren abgeschafft.
Konsequenzen
der aufgezeigten Entwicklungen
Was
sind aber die Konsequenzen der aufgezeigten Entwicklung für
Studierende, für Hochschulen, für die so genannte Abnehmerseite?
Für
besonders leistungsfähige und klar überdurchschnittlich
qualifizierte Studierende ergibt sich die Notwendigkeit, neben dem
Uniabschluss andere und zusätzliche Felder der Profilierung zu
finden, um sich von der Masse der Gutbewerteten abzuheben. Das kann
eine Promotion sein oder eben Stipendien, Preise, Praktika oder auch
Zusatzqualifikationen wie eine größere Sprachenvielfalt. Bezüglich
Promotionen darf aber der Hinweis nicht fehlen, dass auch bei deren
Bewertung Noteninflation und Bewertungsunterschiede zwischen
Fakultäten und Universitäten eine große Rolle spielen.
Beispielsweise ist der Anteil der Doktoranten mit der Höchstbewertung
„summa cum laude“ in den Wirtschaftswissenschaften von 22 Prozent
vor zehn Jahren auf heute über 34 Prozent gestiegen – allerdings
mit riesigen Standortunterschieden. In Bamberg beispielsweise
erreichten sogar 70 Prozent die Bestbewertung.
(http://www.forschungsinfo.de/promotionsnoten/)
Für
die Hochschulen hat der Wissenschaftsrat eine Reihe von Vorschlägen
erarbeitet, die Noteninflation einzudämmen und die Objektivität und
Vergleichbarkeit der Prüfungen zu verbessern, ohne dass diese
Hinweise bislang zu nennenswerten Anstrengungen seitens der
Hochschulen geführt haben. Dazu gehören anonymisierte
Zweitbewertungen aber auch der Ausweis von Durchschnitten und
Rangplätzen auf Abschlusszeugnissen.
Die
Unternehmen und öffentlichen Arbeitsgeber stehen vor der
Herausforderung, sich einerseits eine umfassende Informationsbasis
beispielsweise über Bewertungsmaßstäbe und Notenniveaus
verschiedener Fachrichtungen und Hochschulen zu verschaffen, um sich
ein möglichst differenziertes und umfassendes Bild der Wertigkeit
von Hochschulabschlüssen machen zu können bzw. gegebenenfalls
eigene zusätzliche Auswahlverfahren zu entwickeln.
Es
gibt aber einen großen Unterschied zum Problem der Vergleichbarkeit
und Noteninflation bei Abiturzeugnissen. Während nämlich jeder
Arbeitgeber frei darin ist, zu den reinen Examensnoten zusätzliche
Kriterien und Erkenntnisse bei der Einstellung heranzuziehen,
entscheidet bei zulassungsbeschränkten Studiengängen oft
ausschließlich die erzielte Abinote bis hin zum Zehntel nach dem
Komma, unabhängig davon, an welcher Schulart, an welcher konkreten
Schule oder in welchem Bundesland diese Note erzielt wurde. Deshalb
besitzt das Thema Vergleichbarkeit und Noteninflation bei
Abiturzeugnissen eine in meinen Augen erheblich höhere Brisanz als
es dieses Thema im universitären Sektor hat.
Noteninflation
und Vergleichbarkeit von Abiturprüfungen
Von
Noteninflation wird in den letzten Jahren nicht zuletzt verstärkt im
Bereich der Schulen gesprochen. Auch da gilt es, sich einmal genauer
anzuschauen, was Statistiken über eine Aufwärtsentwicklung von
Noten sagen, um dann in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob dies mit
gestiegenen Leistungen zusammenhängt. Daten zu Notenentwicklungen in
Zeugnissen an verschiedenen Schularten in den Bundesländern gibt es
nicht bzw. wurden bislang nicht veröffentlicht. Woran man sich
halten kann, sind die alljährlichen Statistiken, die das Sekretariat
der Kultusministerkonferenz über die Abiturdurchschnittsnoten in den
einzelnen Bundesländern veröffentlicht.
(https://www.kmk.org/dokumentation-und-statistik/statistik/schulstatistik/abiturnoten.html)
Analysiert
man dabei die Entwicklung von 2002 bis 2014, also den derzeit letzten
dokumentierten Abiturjahrgang, dann fällt zunächst einmal auf, dass
eine Notenverbesserung in den meisten Bundesländern festzustellen
ist, diese aber insgesamt bundesweit mit rund 0,15 geringer ausfällt,
als etwa im selben Zeitraum vom Wissenschaftsrat für die
Universitäten ausgewiesen wurde. Allerdings stellt sich die
Situation von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich dar.
Während sich z.B. der Durchschnitt in Baden-Württemberg von 2002 zu
2014 von 2,35 (2002) zu 2014 (2,46) sogar um 0,11 Notengrade
verschlechterte, haben sich die Abidurchschnittsnoten in Bayern
(2002: 2,46 2014: 2,33), in Berlin (2002: 2,76 2014: 2,42) in NRW
(2002: 2,68 2014: 2,50) und Thüringen (2002: 2,33 2014: 2,17) zum
Teil deutlich nach oben bewegt. Noch auffallender ist die in diesem
Zusammenhang gestiegene Zahl an Bestabiturnoten, also
1,0-Ergebnissen. Während diese Note beispielsweise laut den von der
KMK veröffentlichten Statistiken im Jahr 2002 im Land Berlin nur 17
Mal erzielt wurde, stieg diese Zahl schon zehn Jahre später 2012 auf
das Vierzehnfache (234) an. In anderen Bundesländern ist der Trend
bei der Zunahme der Bestbewertungen ähnlich, wenn auch nicht so
dramatisch. Im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW verdreifachten
sich beispielsweise die Zahl der 1,0 Abiturienten allein von 2006
(412) bis 2014 (1221).
Notenverbesserungen
im Kontext schulpolitischer Reformen
Betrachtet
man diesen Trend zu besseren Abiturnoten genauer, dann zeigt sich,
dass diese Entwicklung über den dokumentierten Zeitraum hinweg nicht
kontinuierlich, sondern teilweise sehr sprunghaft verläuft.
In
Bayern und NRW, aber nicht nur dort, gibt es deutliche Anhaltspunkte
dafür, dass bessere Abiturnoten mit bildungspolitischen bzw.
schuladministrativen Maßnahmen zusammenhängen. Ein klar erkennbarer
Notenanstieg erfolgte in Bayern nach dem Jahr 2010, als die für das
G8 geltenden neuen Abiturregelungen in Kraft traten, die zwar eine
verbindliche schriftliche Abiturprüfung in Deutsch und Mathematik,
aber gleichzeitig auch eine bessere Bewertung mündlicher Leistungen,
eine 5. Abiturleistung und Praxisseminare vorsahen. In NRW führte
dagegen die Einführung des Zentralabiturs zu einem signifikanten
positiven Noteneffekt. Ähnliches lässt sich auch für die
Einführung des Zentralabiturs in den Nach-PISA-Jahren in anderen
Bundesländern beobachten. Der Grund liegt auf der Hand: Alle
Bildungsministerien sind eifrig darauf bedacht, dass Schulreformen
nicht zu Notenverschlechterungen führen, weil dadurch die Akzeptanz
dieser Reformen in der Bevölkerung beeinträchtigt würde. Es gibt
inzwischen auch Studien, die belegen, dass die kompetenzorientierten
Aufgabenstellungen beim Abitur in einigen Fächern weniger
anspruchsvoll sind als vor Einführung des Landeszentralabiturs (vgl.
z.B. Hans-Peter Klein: Die neue Kompetenzorientierung: Exzellenz oder
Nivellierung? In ZfdB, Vol 1 (2010), S.15-26) und allein deshalb auch
bessere Noten erwartet werden können.
Weitere
Anzeichen für Notenlifting: Sinkende Sitzenbleiber- und
Schulabbrecherquoten
Es
gibt allerdings aber noch andere Anzeichen dafür, dass auch die
Schulen von einem Notenlifting nach oben erfasst worden sind: Die
Mehrheit der Bundesländer meldet Jahr für Jahr sinkende
Sitzenbleiberquoten, die Zahl der Schulabbrecher ging in den letzten
zehn Jahren um ein gutes Drittel zurück.
An
der Hoffnung, dass hinter dem gestiegenen Notenniveau an Schulen,
auch an Gymnasien, bessere Leistungen stehen, möchte man gerade als
Lehrer und Bildungslobbyist gerne festhalten. In diesem Zusammenhang
wird häufig auf die bundesdeutschen PISA-Ergebnisse verwiesen, die
sich von 2000 bis 2012 deutlich verbessert hätten. Allerdings sind
sich viele Bildungsforscher darüber uneinig, ob die Verbesserung bei
PISA nicht mehr mit der Anpassung an die dortige Prüfungskultur und
veränderten Kompositionseffekten (höherer Gymnasiastenanteil) zu
tun hat als mit besseren Leistungen. Beispielsweise hat sich bei der
Testung der 15-Jährigen im erfassten Zeitraum der letzten 15 Jahre
auch nicht annähernd eine solche Leistungsexplosion im Spitzensektor
der obersten Kompetenzstufen gezeigt, wie es der rasante Anstieg der
1,0-Abiture nahelegen würde. Zudem wurde darauf aufmerksam gemacht,
dass der Rückgang der Schulabbrecher von 2003 zu 2013 von fast 9,8
auf 5,9 Prozent eigentlich hätte begleitet sein müssen mit einem
entsprechenden Rückgang auch der sogenannten Risikoschüler, die bis
zum Ende ihrer Schulzeit auf Grundschulniveau hängen bleiben. Laut
Bildungsbericht 2014 sank deren Anteil aber nicht um 40 Prozent,
sondern nur 25 Prozent. (vgl. Heike Schmoll: Schluss mit der
zertifizierten Inkompetenz
http://www.helmholtz.de/wissenschaftspolitik/schluss-mit-der-zertifizierten-inkompetenz-2751/).
Es
gibt also tatsächlich klare Indizien dafür, dass der Anstieg der
guten und sehr guten Abiturnoten, aber auch der Rückgang von
Abbrecher- und Sitzenbleiberquoten nicht überwiegend auf
Leistungssteigerungen zurückgeführt werden kann, man also auch im
Schulbereich von einer Noteninflation sprechen kann.
Warum
Noten immer besser werden
Bei
der Ursachenforschung dafür ist man wie bei der Noteninflation an
den Hochschulen in erster Linie auf Vermutungen angewiesen:
-
Die
Politik verschafft sich Akzeptanz für Bildungsreformen durch
Notenverbesserungen. Wie oft erklären Politiker heute, dass G8 zu
weniger Sitzenbleibern und besseren Noten geführt habe? Das war
aber wohl kein Zufallseffekt, sondern bewusst gewollt und
einkalkuliert.
-
Als
gute Schule gilt heute ein Gymnasium, das möglichst gute
Abischnitte erreicht und möglichst alle Schulanfänger auch zum
Abitur führt. Inzwischen gibt es Bundesländer, die solche
Kennzahlen veröffentlichen und Zeitungen, die daraus ein Ranking
entwickeln (z.B. Berliner Morgenpost vom 21.6.2013: Abitur 2013 –
Das sind Berlins beste Schulen. Von Regina Köhler und Florentine
Anders)
-
Schulen
mit zu schlecht ausgefallenen Jahrgangsstufentests und zu hohen
Sitzenbleiberquoten müssen sich in vielen Ländern zunehmend
gegenüber der Kultusbürokratie rechtfertigen. Diesen Druck geben
Schulleitungen oft direkt an die Lehrkräfte weiter
-
Es
gibt zunehmende Bundesländer, in denen zu schlechte
Klausurenschnitte dazu führen, dass Tests wiederholt werden müssen
oder notenmäßig aufgebessert werden.
-
Die
in den Bundesländern differierenden Vorschriften für die
Erstellung von Noten wurden in den letzten Jahren deutlich
schülerfreundlicher gestaltet, z.B. sind in NRW heute deutlich
weniger Inhaltspunkte für eine 4 minus erforderlich als noch vor 10
Jahren
-
In
einzelnen Fächern wurden die Anforderungen im Zuge von
Lehrplankürzungen gesenkt, in den Fremdsprachen ist heute fast
durchgängig die Benutzung von Wörterbüchern in der Oberstufe
gestattet, fehleranfällige Übersetzungen wurden durch eine
„mediation“ ersetzt.
Ein
Abitur wird einem auch heute nicht geschenkt, aber …
Natürlich
muss man sich auch heute noch für gute Noten an Gymnasien
anstrengen, ein sehr gutes Abitur wird einem auch im Jahre 2016 nicht
geschenkt. Aber die Chance, die sehr guten von den nur guten oder
durchschnittlichen in und zwischen den Ländern zu unterscheiden und
deutlich zu erkennen, ist schwieriger geworden.
Eine
1,0 ist keine Garantie auf einen bestimmten Studienplatz mehr.
Berichtet wird über medizinische Fakultäten, die dreimal so viele
Bewerber mit 1,0 haben als verfügbare Studienplätze. Konsequenz: Es
muss gelost werden. Damit drohen schon fast amerikanische
Verhältnisse, wo in Berkeley unlängst unter 31 000 Bewerbern auf
8200 Studienplätze rund 15 000 mit der Bestnote waren. (Reinhold
Sackmann: Die Bedeutung institutioneller Auswahlprozesse für die
Erzeugung von Bildungsungleichheit. S.40 In: W. Helsper,
Heinz-Hermann Krüger Hrsg. Auswahl der Bildungsklientel. Wiesbaden
2015. S. 31 – 69).
Mehr
Bildungsgerechtigkeit durch bessere Noten?
Es
gibt auch eine moralische Rechtfertigung für bessere Noten und die
besteht in der Hoffnung, dass dadurch das Bildungssystem gerechter
werde, weil auch bildungsferne Schichten hiermit bessere
Erfolgschancen z.B. am Gymnasium hätten. So wird beispielsweise der
Essener Bildungsforscher Klaus Klemm folgendermaßen zitiert: „Wenn
wir mehr Gruppen in die Hochschulen lassen, sinkt nicht das Niveau,
sondern das System wird gerechter.“ (taz vom 18.6.14, Die Angst vor
den Bildungsaufsteigern, von Anna Lehmann).
Dieser
Frage, ob eine Absenkung von Prüfungsstandards zu mehr
Bildungsgerechtigkeit führen kann, ist Robert Schwager nachgegangen,
indem er ein in der Wirtschaftswissenschaft übliches
spieltheoretisches Modell konstruiert hat, das die Zuordnung von
Arbeitskräften mit verschiedenen Fähigkeiten auf unterschiedlich
anspruchsvolle Arbeitsplätze auf der Basis verschiedener
Benotungsniveaus abbildet. Sein Ergebnis ist eindeutig, wenn auch
wenig überraschend. Er kommt zu dem Schluss, dass bei einer
Noteninflationierung die attraktiven Arbeitsplätze denjenigen
Absolventen vorbehalten werden, die nicht nur über eine gute Note,
sondern auch eine privilegierte Herkunft verfügen. Eine solche
Notenvergabe mache es nämlich Schülern aus sozial schwachen
Verhältnissen unmöglich, ihre wirklichen Fähigkeiten auf dem
Arbeitsmarkt zu signalisieren. Er hält abschließend fest: „Aus
bildungspolitischer Sicht bedeuten diese Ergebnisse, dass
nachsichtige Benotung und reduzierte Prüfungsanforderungen nicht
geeignet sind, um gesellschaftliche Mobilität zu fördern. Im
Gegenteil, fähige, aufstrebende Schüler aus schwierigem sozialen
Umfeld haben in einem meritokratischen Schulsystem, das Leistungen
ernsthaft prüft und die erzielten Ergebnisse ungeschönt
dokumentiert, die besten Chancen.“ (Robert
Schwager: Grade Inflation, Social Background, and Labour Market
Matching. In: Journal of Economic Behavior Organization, January
2008, Zitat aus der deutschen Zusammenfassung in:
ftp://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp08070.pdf)
Interessant
ist, dass der wohl renommierteste deutsche Moralphilosoph, Vittorio
Hösle, in seinem Standardwerk „Moral und Politik“ aus
moralphilosophischer und nicht wie bei Schwager aus
wirtschaftsökonomischer Sicht exakt zu der gleichen Schlussfolgerung
kommt:
„Es
ist in jedem Fall unsinnig, wenn man meint, soziale Gerechtigkeit
dadurch fördern zu können, dass man die Standards der Schulen und
Hochschulen jedes Jahr senkt und eine ‚Noteninflation’ betreibt –
das ist ein ebenso untaugliches bildungspolitisches Mittel wie die
Bedienung der Notenpresse bei der Lösung sozialer Probleme.“
(Vittorio Hösle: Moral und Politik. Grundlagen einer politischen
Ethik für das 21. Jahrhundert. München 1997, S. 1126)
Ein
Verbesserungsvorschlag für mehr Vergleichbarkeit
Neben
der generellen Fragwürdigkeit noteninflationärer Tendenzen bleibt
bei den Abiturnoten das Gerechtigkeitsproblem der mangelnden
Vergleichbarkeit. Wenn in einem Bundesland der Abidurchschnitt im
Jahre 2014 2,17 beträgt und dort in Thüringen fast 3 Prozent der
Abiturienten die Bestnote 1,0 erreichen, während es in Niedersachsen
bei einem Schnitt von 2,61 nur 0,8 Prozent 1,0-Abiturienten gibt,
dann ist angesichts der Tatsache, dass inzwischen fast 50 Prozent der
Studiengänge zulassungsbeschränkt sind, diese Gerechtigkeitslücke
mit Händen zu greifen.
Man
darf aus den bereits zuvor erörterten Gründen auch sehr skeptisch
sein, ob die Einführung von bundesweit einheitlichen
Abiturbestandteilen ab dem Jahr 2017 zu mehr Vergleichbarkeit und
Gerechtigkeit führen wird. Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit
auch weiterhin keine Landesregierung eine Schulreform durchführen,
die ihren Abiturientinnen und Abiturienten eine Notenverschlechterung
bescheren könnte.
Ich habe deshalb große Sympathie für einen Vorschlag, den Bijan Moini im SPIEGEL am 22.7.2015 gemacht hat (vgl. Stephanie Schiemann: Die Vergleichbarkeit von Abiturquoten und -noten. MDMV 23/2015/ S.186f), nämlich in allen Bundesländern eine relative Größe, den Rang des Abiturienten im Vergleich zu seinen Mitabsolventen, in das Abiturzeugnis aufzunehmen. Diese relative Größe soll die Platzierung im jeweiligen Bundesland erfassen, geteilt durch die Gesamtzahl aller Abiturienten seines Bundeslands mal 1000, anschließende Rundung auf eine ganze Zahl zwischen 0 und 1000. Moini wörtlich: „Der Rang wäre über die Landesgrenzen und Jahrgänge hinweg vergleichbar. Schüler würden künftig zunächst nur mit jenen vergleichen, deren Noten unter vergleichbaren Bedingungen entstanden. Dass ein Einser-Abitur in einem Bundesland oder Jahrgang leichter zu erreichen ist als in einem anderen, hätte dann auf die Studienzulassung keine Auswirkung mehr.“ (ebenda S.187)
Zwar
würde dieser Vorschlag dazu führen, dass tatsächlich vorhandene
Unterschiede zwischen den Ländern beim Leistungsniveau der
Abiturienten weiterhin nicht erfasst werden. Das gelingt aber schon
jetzt nicht einmal im Ansatz. Diese Zusatzinformation ermöglichte
aber nicht nur eine bessere Vergleichbarkeit, sondern nähme auch der
Bildungspolitik in den Ländern den Anreiz weg, durch ständige
Noteninflationierung die Chancen der eigenen Landesabiturienten
künstlich zu verbessern.